© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 42/19 / 11. Oktober 2019

Zwischen „Reaction“ und Ramadan
Ausländische Youtuber: Die Internetkultur in Deutschland erfährt orientalische Einflüsse
Ferdinand Vogel

Das ist haram, Habibi!“ Schon im Sprachgebrauch der Jugendlichen, egal ob ausländischer oder deutscher Herkunft, zeigt sich ein Trend hin zur Orientalisierung. Der „Slang“, die Jugendsprache, ist durchzogen mit Fremdwörtern aus dem Arabischen und Türkischen. Vor allem in den Ballungsgebieten fällt dies auf, wenngleich auch der heutige Jugendliche vom Dorf keinesfalls von der subkulturellen Außenwelt abgeschnitten ist und weiß, wie man das Internet benutzt. Dort finden sie vermehrt hochwertig produzierte Videos von Youtubern und anderen „Influencern“, die sich erfolgreich große Plattformen aufgebaut haben, über die sie Millionen deutschsprachige Menschen erreichen.

Im März dieses Jahres versammelten sich 400 junge Menschen auf dem Berliner Alexanderplatz – bis auf wenige Ausnahmen durchweg mit Migrationshintergrund –, um ihre Vorbilder „Thats Bekir“ (271.000 Youtube-Abonnenten) und „Bahar al Amood“ (25.800 Abonnenten), zwei Online-Influencer in Deutschland, zu sehen. Da die beiden kurz zuvor „Beef“ (Streit) um eine angebliche Beleidigung in einem Instagram-Video hatten, kam es zu einer Massenschlägerei zwischen den Fan-Gruppen. Und diese 400 „Follower“ sind nur ein Bruchteil der Masse, die im Internet angehäuft und erreicht wird.

Keine Integration in eine deutsche Kultur 

Ein öffentlich-rechtliches Angebot im Internet, das sich zur deutschen Identität bekennen und sich positiv auf sie beziehen würde, existiert nicht. Wer ein konservativ-liberales Angebot mit patriotischen Inhalten sucht, muß die Nischen von Youtube durchsuchen. In den Charts, den Trends der Plattform, dominieren jedoch häufig orientalische Influencer und ihre Clips.

Dort wird die Gesellschaft oftmals ganz selbstverständlich polarisiert dargestellt, aufgeteilt in Deutsche gegen Ausländer, in Klischees wie „Almans“ (JF 41/19) und „Kanacken“ – das Wort gebrauchen sie selbst, es gibt sogar einen Kanal „Kanax TV“ (125.000 Abonnenten). 

Der Kanal von „Bodyforums“ (1,4 Millionen Abonnenten) beispielsweise zeichnet in erster Linie neben den Themen Fitneßmotivation, Ehre und Kampfsport verschiedene „Prototypen“: der Kiffer, der Albaner, der Türke, der Latino etc. Der typische Deutsche kommt mit Hausschuhen, hochgezogener Hose und einem Kartoffelsack daher oder wird als kulturell angepaßter „Möchtegern-Kanacke“ dargestellt.

Einige Videos laufen in Kooperation mit „Younes Jones“ (1,1 Millionen Abonnenten). Der selbsternannte Comedy-Youtuber macht neben Videos über stereotype Schiedsrichter und Babysitter Clips über „arabische Versionen“ von Halloween und Weihnachten. Auffällig ist, daß sich das sogenannte „Kanackdeutsch“ wie ein roter Faden durch den Kanal zieht. Viele Sätze beginnen mit einem Schnalzlaut und enden mit „Wallah“ (Ich schwöre bei Gott).

Alles vermengt sich in den stark nach westlichen Marktprinzipien aufgebauten Kanälen vieler muslimischer Influencer. Das meiste ist – wie bei zahlreichen deutschen Youtubern – belangloser Quatsch und platte Unterhaltung zwischen „Reaction-Videos“ (Person X reagiert auf Video von Person Y) und „Challenges“ (Person X filmt sich bei Aufgabe Y). 

Shayan Garcia erreicht mit altbekannten Straßeninterviews in deutschen Innenstädten zu Themen wie „Aussehen oder Charakter“ oder „Freundschaft plus“ 478.000 Abonnenten und produziert seit kurzem einen Podcast mit „Nizar Comedy“ (170.000 Abonnenten). 

Dazwischen streuen einige Kanäle Wortgruppen wie „Ehre haben,“ „Mann sein“, „Ehrenlosigkeit“, „Inshallah“ und „Krieger sein“. Sie erklären, was „haram“ und was „halal“ ist, wie man trotz Ramadan und Fasten trainieren kann, wie man (deutsche) Frauen anmacht und trotz der Versuchungen im Westen die muslimische Identität lebt. Die neuesten Klamotten zu tragen, teure Autos zu fahren, Drogenerfahrungen zu teilen und islamischen Gebetsritus zu praktizieren, das alles gehört für dieses Milieu scheinbar zusammen. 

Letztendlich ist es diese Komponente, die diese Influencer eint: ihre muslimische und/oder ausländische Identität, die mal mehr und mal weniger stark im Vordergrund steht und ambivalent zumeist dafür benutzt wird, um den Kontrast zwischen ihnen und dem Volk, in dessen Land sie leben, deutlich zu machen.

Die wachsenden Fan- und Klickzahlen sind dabei eine logische Folge einer neuen Realität: insbesondere junge Alterskohorten sind zunehmend durch Nicht-Deutsche geprägt. Wer die Inhalte dieser Youtuber konsumiert und teilt, was Millionen junge Menschen hierzulande tun, wird keinerlei Bedürfnis verspüren, sich in eine deutsche Leitkultur zu integrieren.