© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 42/19 / 11. Oktober 2019

Kirche und ihre heutige Realität
Die Streitschrift einer früheren Traditionalistin
Werner Olles

Hanna Jünglings Studie „Sakrament und Macht. Der Abendmahlsstreit als Instrument globaler Herrschaft“ über die dogmatische Entwicklung der Lehre vom Sakrament der Eucharistie entpuppt sich nach kurzer Lektüre als Streitschrift einer ehemaligen katholischen Traditionalistin, die inzwischen die Kirche verlassen hat und als Musikerin, Künstlerin und Schriftstellerin tätig ist. 

Die Autorin studierte an der Universität Heidelberg, befaßte sich intensiv mit theologischen und philosophischen Fragen, die ihr ermöglichten „die tiefen Widersprüche zwischen der politischen Realität der Kirche und ihrem geistlichen Anspruch, vor allem in der dogmatischen Entwicklung seit den Tagen Konstantins zu erkennen“.

Als Ausgangspunkt für die Änderung ihrer Haltung zur Kirchenlehre sieht sie die historische Debatte über die beiden Papstdogmen von 1870: den politischen Universalprimat und die definierte Infallibilität (Unfehlbarkeit) in Lehrfragen. 2017 hatte sie darüber eine Auseinandersetzung in der Tagespost und in der Kirchlichen Umschau, in der sie die Unfehlbarkeit des Papstes als nicht mehr haltbar bezeichnete.

Jünglings Haltung ist theologisch nicht sehr traditionell, speziell zum Thema „Frau und Kirche“, das Attribut „Feministin“ trifft jedoch auf sie nicht zu. Sie schreibt kenntnisreich, ihre Kirchenkritik ist äußerst fundiert und überzeugt auch methodisch. Die Schilderung ihres Prozesses der schrittweisen Desillusionierung, die jedoch mit der ehrlichen Suche nach Lösungen und Erklärungsmodellen für die entstandenen Fragen korrespondiert, beeindruckt auch den kritischen Leser, wenngleich Widersprüche unvermeidlich sind.

So bleibt letztlich offen, was sie damit meint, wenn sie das Sakrament der Eucharistie sozusagen als Vorstufe einer „künftigen ständischen Weltherrschaft der Kirche“ bezeichnet, wobei die Fragen, ob es sich um eine „Feier“ oder ein „Opfer“ handelt und ob die „Kirche“ tatsächlich noch eine „autoritative Macht (H. Popitz) oder ein „stahlhartes Gehäuse der Hörigkeit“ (Max Weber) ist, erst gar nicht gestellt werden.

Dennoch ist das Buch durchaus aufschlußreich und zählt zu den interessantesten theologischen Arbeiten der letzten Jahre.

Hanna Jüngling: Sakrament und Macht. Der Abendmahlsstreit als Instrument globaler Herrschaft. Zeitschnur Verlag, Karlsruhe 2018, 308 Seiten, 18 Euro