© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 42/19 / 11. Oktober 2019

Leserbriefe

Zu: „Gretas Komsomolzen“ von Felix Krautkrämer, JF 41/19

Spätes Bekenntnis zur Tat 1968

Apropos „Fridays for Future“: Als bald 74jähriger bekenne ich folgende – längst verjährte – Missetat 1968 begangen zu haben: Ich wohnte damals als Jurastudent im Studentenheim am Biederstein im Doppelzimmer in München in Haus 4 im 2. Stock. Wieder einmal war ein lustiger Abend mit Musik, Bier und Spaß, wie halt oft. Die Freundin meines damaligen Kumpels Nepomuk – nennen wir sie Conny – war eine schlechte Schülerin und hätte am nächsten Tag eine Schulaufgabe gehabt. Sie hat es aber vorgezogen, mit uns bis in die Nacht zu feiern statt zu lernen und deshalb Angst vor der Prüfung, weil sie schon mal durchgefallen war. Also kamen wir auf die Idee, einen Schulstreik zu organisieren und waren begeistert. Um 3 Uhr früh zogen ich, Conny und Nepomuk in seinem uralten 2 CV und mit einem vom Hausmeister im Keller stehengelassenen Topf weißer Dispersionsfarbe und zwei Eckpinseln los. Vor Connys Schule malten wir auf das Eingangstor „SCHULSTREIK“ und auf den Gehsteig in riesigen Großbuchstaben den Spruch „Schulstreik – heute bleibt die Schule kalt / heut gehn wir in den Wienerwald“ (damals eine bekannte Gasthauskette). Damit niemand auf Conny kommen konnte und es glaubhaft wirkte, machten wir es ähnlich bei einem halben Dutzend anderer Gymnasien im Großraum Schwabing. Es war nicht einfach, weil die Batterie von Nepomuks 2 CV schwach war. Aber die „Ente“ hatte noch ein entsprechendes Loch vorne und eine Kurbel, mit der wir den Motor jedes mal anwerfen konnten. Ergebnis war: Der „Schulstreik“ fand tatsächlich statt. Die meisten Schüler gingen nicht mal in die Schule, sondern kehrten gleich auf der Straße fröhlich um. Im Radio hörten wir, daß es ein „Scherz“ gewesen sei, und sogar im Bayerischen Landtag verspottete ein „Sozi“ – die gab es damals noch – das Kultusministerium wörtlich mit unserem Spruch vom „Wienerwald“. Das ist die lautere Wahrheit. Meine Schwester Elke und meine Freunde im Biederstein wußten davon. Soviel zur Manipulation von Schülern.

Gerald Hopfner, Oberreichenbach






Zu: „Auf das falsche Pferd gesetzt“ von Joachim Starbatty, JF 41/19

Beachtliche „Nehmer“-Qualitäten

Außer den EZB-Chef kritisiert Starbatty auch die Bosse der deutschen Großbanken – es sind eh nicht mehr viele – wegen ihrer „Nehmer“-Qualitäten. Die Kritik ist durchaus berechtigt, es ist jedoch zu berücksichtigen, daß sie alle nicht aus dem heiteren Himmel in ihre Ämter gefallen sind. Ganz oben angefangen: Mario Draghi kam nur an die Spitze der EZB, weil Frau Merkel als ewige Kanzlerin den deutschen – aussichtsreichen – Kandidaten Axel Weber verhindern wollte; der hatte sich geweigert, ihr nach dem Mund zu reden. Und die Nachfolgerin im Amt des Spitzenbankers ist auch nur durch Kungelei dorthin gekommen. Nicht zufällig staunte damals die kritische Fachwelt, daß ausgerechnet ein Strippenzieher von Goldman Sachs – jener Bank, die Griechenland auf unlautere Weise in den Euro bugsiert hat – in dieses Amt kam. Aber er hat geliefert, was von ihm erwartet wurde: Rettung der maroden Banken der europäischen Mittelmeer-Anrainer durch umstrittene Anleihen-Käufe in Milliardenhöhe und schleichende Enteignung vor allem der deutschen Sparer und Versicherten durch seine Null-Zins-, ja sogar Negativ-Zins-Politik. 

Trotz dieser unübersehbaren Fehlleistungen wird die eigentlich Verantwortliche für diese desaströse Politik von der Bevölkerung in ihrem Land nach wie vor hoch geschätzt und wiederholt in ihrem Amt bestätigt. Das zeugt in der Tat von der Mündigkeit des deutschen Wählers!

Peter Kiefer, Steinen






Zu: „‘Alles muß demokratisch aussehen’“ von Lothar Karschny, JF 41/19

Lobenswerte Darstellung

Dieser Beitrag hat mir sehr gut gefallen. Die umsichtige Art der Darstellung und Argumentation läßt ein abwägendes Urteil zu über eine Zeit, die von allen politischen Seiten immer noch vorwiegend an ideologischen Maßstäben gemessen wird. Hier wird sehr schön deutlich, daß mit Ausnahme der Kommunisten alle an der Spaltung Deutschlands beteiligten Politiker gute Patrioten waren, die aber überwiegend eine illusorische Auffassung von ihren Möglichkeiten hatten. Schließlich mußten die meisten doch einsehen, daß eine „Verfassung“-Gebung unter Fremdherrschaft nur sehr bedingt den gerechten Ansprüchen des deutschen Volkes entsprechen konnte. Auf kommunistischer Seite war das kein Problem, da dort schlicht die Direktiven Stalins ausgeführt wurden. Im Westen hatte Konrad Adenauer die Machtverhältnisse und die Interessen der Alliierten sowie die Chancen des Kalten Krieges früh erkannt und zur Grundlage seiner Politik der Gründung eines Weststaates gemacht. Der Ausbruch des Kalten Krieges war der Beginn unserer Befreiung, nicht der 8. Mai 1945. In dem Artikel wird diese Sachlage differenziert dargestellt, die den meisten sehr kompliziert, Adenauer aber sehr einfach erschien. 

Wichtig ist auch, daß der Weststaat sich als Provisorium begriff, dessen Auftrag zur Wiedervereinigung erst 1990 erfüllt wurde. Helmut Kohl betrachtete sich zu Recht als politischer Enkel Konrad Adenauers. Für mich wurde damit die westdeutsche Mitwirkung bei der „Politik der Stärke“ im nachhinein legitimiert. In der Tat führte Präsident Reagans erneute Politik der Konfrontation mit der Sowjet­union zum Sieg des Westens und zur deutschen Einheit. Zu erinnern ist auch daran, daß die Ergänzung zur Wiedervereinigungspolitik durch Westbindung Kurt Schumachers „Magnettheorie“ war. Sie besagte, daß sich die Ostzone durch die Anziehungskraft der westlichen Lebensweise eines Tages der Bundesrepublik anschließen würde, was sich auch bewahrheitet hat. In meinen Augen ist erst damit das Grundgesetz in den Rang einer Verfassung erhoben worden.

Einen besonders bedenkenswerten Bezug stellt der Autor zwischen den deutschen Bolschewisten des Jahres 1948/49 und der herrschenden rotgrünen Klasse von heute her: „Es muß demokratisch aussehen, aber wir müssen alles in der Hand haben.“ Genau das ist die Richtung, die Staat und Gesellschaft hierzulande eingeschlagen haben. Aber wieviel ausgefeilter sind die Herrschaftstechniken der heutigen Sozialisten im Vergleich mit ihren bolschewistischen Vorfahren, die nur primitive Agitprop und flächendeckende Gewaltandrohung kannten! Nicht zuletzt regt diese Darstellung auch zum Nachdenken über den Zusammenhang zwischen anfänglicher Fremdherrschaft und heutiger Fremdsteuerung an.

Wilhelm Hacke, Witten




Falsche gregorianische Liturgie

In seinem Beitrag erweckt Herr Karschny den Eindruck, der 7. Oktober wäre das Datum der Oktoberrevolution 1917 in Rußland. Tatsächlich ist dies aber der 7. November. Der Aufstand der Kommunisten in Petrograd erfolgte am 7. November 1917, allerdings nach dem alten, julianischen Kalender am 24. Oktober, daher „Oktoberrevolution“.

Walter Kiewitt, Dermbach/Rhön




Gelungene Geschichtsklitterung

Der Autor knüpft an die Mitteilung an, die SED habe bei den Landtagswahlen in der Sowjetischen Besatzungszone vom Oktober 1946 freie Wahlen und die staatliche Einheit zu ihren Hauptzielen erklärt: „Damit gewann sie die Landtagswahlen im Oktober 1946.“ Diese Feststellung bedarf zumindest einer Ergänzung. Inwieweit die genannten Forderungen das Wahlverhalten beeinflußt haben, läßt sich heute nicht mehr feststellen. Fest steht jedoch, daß CDU und LDP im Wahlkampf erheblich behindert waren, insbesondere dadurch, daß sie für ihre Zeitungen und Wahlwerbung nur äußerst beschränkte Papierzuteilungen bekamen. Das war für jedermann klar zu erkennen. Nach den Kommunalwahlen vom 1. September 1946 beklagte sich der CDU-Vorsitzende Kaiser im sogenannten zentralen „Blockausschuß“ mit deutlichen Worten über den Einfluß der Besatzungsmacht und Behinderungen durch Verhaftungen und anderes. Im übrigen war der Sieg der SED nicht so hoch, wie man ihn nach Lektüre des Artikels vermuten könnte. In Brandenburg und Sachsen-Anhalt erhielten CDU und LDP mehr Stimmen als die SED. In den anderen Ländern lag der Stimmenanteil von CDU und LDP bei 46,6 bis 48,0 Prozent.

Dr. Theodor Seidel, Berlin






Zu: „Vollkommen ausgereizt“ von Christoph Keller, JF 41/19

Normaler Energieverbrauch

In dem Artikel wird (unter anderem) der Energieverbrauch der Kreuzfahrtschiffe kritisch diskutiert. Eine typische Gesamtleistung wird mit 148,4 Megawatt angegeben. Um das faßlich zu machen, vergleicht der Autor diese Leistung mit einem Atomkraftwerk. Das ist nicht sehr anschaulich. Ich möchte hier lieber die Kreuzfahrtschiffe mit einem ICE der Bahn vergleichen. Ein ICE hat acht Megawatt, transportiert aber nur etwa 430 Personen. Das bedeutet 18,6 Kilowatt pro Person. Das zitierte Kreuzfahrtschiff bewegt mit 148 MW aber 8.800 Personen und braucht folglich nur 16,8 Kilowatt Transportleistung pro Person. Es gibt also keinen sachlichen Grund, den Energieverbrauch eines solchen Schiffes zu bemängeln.

Dr. Siegfried W. Schmidt, Aßlar






Zu: „Merkels Audienz bei Greta Thunberg“ von Dieter Stein, JF 40/19

Ganz besonderes Fachwissen

So etwas hat die Welt noch nicht erlebt, daß Schülerinnen und Schüler weltweit (!) einen Klimawechsel durch Angstmacherei und Schulschwänzen erzwingen wollen! Da stecken „Fachleute“ dahinter, die nach dem bewährten Schema vorgehen: Wenn der Mensch eine Sache oder Begebenheit immer wieder vorgesetzt bekommt, glaubt er sie auch. Nach dem Motto: „Es stand in der Zeitung“ oder „Im Radio kam (...).“

Joachim Salzmann, Allershausen




Fassungslos: UN-Versammlung

Ich fasse es nicht: Eine große Versammlung von Männern und Frauen, allesamt in hohen Staatsämtern, in die viele direkt oder indirekt von uns hineingewählt worden sind, läßt sich vor den Augen der Welt von einer zurückgebliebenen Göre regelrecht zusammensch…! Wie ernst kann man Leute noch nehmen, die sich so etwas bieten lassen?

Hans-Otto Schulze, Buchholz




Die Mitte ist fast menschenleer

Auf der einen Seite sind die Gläubigen der orthodoxen Klimareligion für alle Argumente komplett unzugänglich, auf der anderen streite ich mich immer wieder mit denen, auf die die Totschlagkennung „Leugner“ fast schon zutrifft. Nicht nur wird jeder Klimaeinfluß von Kohlendioxid bestritten, es wird nicht einmal anerkannt, daß der rezente Anstieg des atmosphärischen Kohlendioxid­anteils, der kurz vor der Verdoppelung steht, etwas mit der Verbrennung fossiler Brennstoffe zu tun hat. Das einzige, das niemand sehen will und zu ändern versucht, sind die wirklichen klimarelevanten Umweltzerstörungen durch den Menschen, Abholzung, Überweidung, Versiegelung usw. Sachargumente werden von beiden extremen Seiten mit Ad -hominem-Schlagworten abgebügelt, die sachliche Mitte ist fast menschenleer.

Axel Berger, Köln






Zu: „Willkommen, liebe Landsleute“ von Christian Rudolf, 40/19

Geschichte, die zu Tränen rührt

Herzlichen Dank Herrn Bürger und der JF für diesen Augen- und Zeitzeugenbericht! Ich bin 1964 geborener Wessi, beim Lesen dieser Geschichte kamen mir vor Rührung die Tränen. Ich bin euch von Herzen dankbar für die Wiedervereinigung Deutschlands, für den Mut von euch Ostdeutschen, gegen das Regime aufzustehen. Und für eure politische Wachsamkeit. Macht weiter so!

Ulrich Armbruster, Berlin






Zu: „Asylrecht / Wir schaffen das ab“ von Dimitrios Kisoudis, JF 40/19

Steilvorlage für den Gegner

Die Überschrift ist verheerend, eine Steilvorlage für den politischen Gegner. Sie ist auch inhaltlich falsch. Das Grundsatzprogramm enthält zwar mehrfach den Begriff „abschaffen“, nicht aber in Verbindung mit dem Asylrecht. Die dort nachlesbare Position „Echte Flüchtlinge will auch die AfD schützen (...)“ steht in eklatantem Widerspruch zur Aussage des Verfassers. Das Asylproblem wäre schon weitgehend entschärft, würden die geltenden Bestimmungen exakt eingehalten.

Karin Zimmermann, Neunkirchen-Seelscheid






Zu: „Haben wir noch ein Recht auf Leben?“ von Christian Rudolf, JF 39/19

Eine echte Herausforderung

Ihr Beitrag nennt „das Phänomen #Birthstrike, den absichtlichen Verzicht auf Nachwuchs um des Klimas willen“. Wäre es da nicht viel einfacher, die Menschinnen, die diese Meinung vertreten, würden selbst mit gutem Beispiel vorangehen und die nächsten neun Monate nicht mehr atmen? Das böte auf längere Frist zudem den Vorteil, daß Nachbars Kinder nicht für deren Rente aufkommen müßten.

Dr. Werner Kurz, Tullau






Zum Schwerpunktthema: „Die Freiheit aus dem Osten“, JF JF 37/19

Falsche Himmelsrichtung

Ihr Titel zeigt das berühmte Bild Wolfgang Mattheuers „Hinter den sieben Bergen“ (1973) und verbindet diesen Ausschnitt mit der Überschrift: „Die Freiheit aus dem Osten“. Für Leser, die Mattheuers Spiel mit diesem Motiv nicht kennen, kommt die „Freiheit“ heute also aus dem Osten. Tatsächlich ist die verschlüsselte Botschaft des Gesamtbildes eine ganz andere: Die schwebende „Freiheitsgöttin“ verheißt den auf sie zuströmenden Menschen in DDR-Autos Vorstellungen von einem Märchenland im Westen, die wie Luftballons schnell zerplatzen können. Es lohnte sich, das ganze Bild (Museum der bildenden Künste, Leipzig) genauer zu betrachten, auch im Zusammenhang mit den späteren Fortführungen des Themas, das Mattheuer nie mehr losgelassen hat.

Helmut Bertram, Wentorf