© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 43/19 / 18. Oktober 2019

Türkische Offensive in Syrien
Drohen ohne Macht
Ferhad Ibrahim Seyder

Der türkische Angriff gegen die kurdische Region Syriens führt, ganz gleich wie der Konflikt ausgeht, zu einer humanitären Katastrophe. Die vom Krieg verschonte Region beklagt schon jetzt 250.000 Flüchtlinge, die vor den türkischen Angriffen gegen Wohngebiete und Infrastruktur Schutz suchen. 

Eine ideologisch-strategisch motivierte Vertreibung der Kurden und eine Ansiedlung der extremen protürkischen Islamisten ist unverkennbar. Dadurch droht nicht nur die Flucht Tausender IS-Anhänger, die in den Gefängnissen der Syrischen Demokratischen Kräfte eingesperrt sind. Vor allem wird die Instabilität neue Flüchtlingsströme verursachen. Deutschland versucht derweil zumindest verbal, sich von der Drohung Erdogans, die Flüchtlinge nach Europa zu schicken, nicht erpressen zu lassen. Doch weder Berlin noch die EU können Truppen entsenden, um eine humanitäre Katastrophe zu verhindern. 

Einmal mehr muß festgestellt werden: Wer den Wehretat so drastisch reduziert und sich der Illusion einer europäischen Armee verschreibt, gibt ein wichtiges Instrument der Außenpolitik aus der Hand. Humanitäre Politik ohne starke militärische Truppen im Rücken ist eine Farce.






Prof. Dr. Ferhad Ibrahim Seyder ist Leiter der Mustafa-Barzani-Arbeitsstelle für Kurdische Studien an der Universität Erfurt.