© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 43/19 / 18. Oktober 2019

Nachfolger gesucht
Bundeswehr: Welches Kampfflugzeug ersetzt die störanfälligen Tornados?
Paul Rosen

Selbst kleine Spuren im Wüstensand können eine große Bedeutung haben: „Wir sind Spezialisten und machen es als Hauptauftrag. Andere machen es als Zweit- und Drittfunktion“, erklärt Luftwaffen-Kommodore Kristof Konrad auf dem Flughafen Al-Asrak in Jordanien. Tornado-Kampfflugzeuge der Bundeswehr sind dort zu Aufklärungszwecken stationiert, sollen Spuren und Unterschlüpfe von Terroristen des Islamischen Staates (IS) finden. Deutschen Politikern gefällt diese Rolle: Denn wer Fotos vom Ort des Geschehens liefert, kommt nicht in die Verlegenheit, Bodenziele angreifen zu müssen und vielleicht wieder eine harmlose Hochzeitsgesellschaft ins Jenseits zu schicken. 

Diese Aufklärungsrolle ist in Gefahr. Die ab 1980 in Dienst gestellten Tornado-Flugzeuge werden aus Altersgründen immer störanfälliger. Eine Entscheidung über ein Nachfolgesystem wird von der Bundesregierung jedoch auf die lange Bank geschoben. In den Jet-News, dem Hausblatt der Luftwaffen-Besatzungen, wird Alarm geschlagen: „Mit jedem Monat ohne Vorgaben durch das Bundesministerium der Verteidigung geht Zeit verloren. Dabei ist gerade mit Blick auf die aktuell desaströse Ersatzteillage der Tornado-Flotte und dem damit verbundenen graduellen Fähigkeitsverlust zielgerichtetes Handeln geboten.“

Es sei unwahrscheinlich, daß diese Fähigkeiten „bis zur Übernahme durch ein neues Luftfahrzeug im Jahr 2035 einsatzbereit bleiben“, so das Fazit der Luftwaffen-Praktiker. Der AfD-Bundestagsabgeordnete Gerold Otten bestätigt gegenüber der JUNGEN FREIHEIT die Probleme. Ein Grund liege darin, daß Großbritannien den Tornado schon abgeschafft habe und Italien bis 2024 austeigen werde: Das stelle Deutschland „vor gewaltige Herausforderungen bei der Systembetreuung und der Ersatzteilbelieferung“, so der AfD-Politiker. 

Das wußte auch der ehemalige Luftwaffen-Inspekteur Karl Müllner, der sich schon 2017 (wie Otten heute) für eine schnelle Nachfolgeentscheidung stark machte: „Aus militärischen Gesichtspunkten brauchen wir eine geringe Radar-Signatur und die Fähigkeit, aus großer Distanz Ziele zu erkennen und zu bekämpfen“, so Müllner damals. Die Aussagen des Inspekteurs ließen nur ein Modell in die engere Wahl kommen: 

Die amerikanische F-35 von Lockheed-Martin, das derzeit angeblich beste Kampfflugzeug der Welt, das für gegnerisches Radar unsichtbar sein soll. In den europäischen Nato-Ländern ist der Lockheed-Tarnkappenjet ein Verkaufsschlager: Norwegen, Großbritannien, Italien, die Niederlande, Dänemark und Belgien haben sich für ihn entschieden.

Vorlauter Inspektor der Luftwaffe wurde entlassen

Nur die damalige deutsche Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) hatte andere Pläne – und warf den vorlauten Luftwaffen-Inspekteur umgehend raus. Von der Leyen setzte auf die deutsch-französische Rüstungszusammenarbeit – und wollte eine neue Version des Eurofighter, von dem die Luftwaffe bereits 135 Stück hat, als Ersatz für die zuletzt noch 85 Tornado-Flugzeuge. Nachfolgerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU), die sich zuvor nie mit Verteidigungs- und Rüstungsfragen beschäftigt hatte, sich aber als Saarländerin mit Frankreich eng verbunden fühlt, blieb auf Linie. 

Sie ließ die F-35 aus dem weiteren Planungsverfahren streichen. Im Rennen sind seitdem neben Airbus/Eurofighter nur noch die F/A 18 des amerikanischen Herstellers Boeing, die zwar an die Fähigkeiten der F-35 nicht herankommt, aber einen anderen Vorteil hat: Der Tornado-Nachfolger muß für die nukleare Teilhabe im Rahmen der Nato von den USA zertifiziert werden. 

Denn das Mehrzweckrollenflugzeug Tornado kann nicht nur Fotos machen, sondern auch Atombomben tragen, falls dies nötig sein sollte. Das Nachfolgemodell soll dasselbe Fähigkeitsspektrum abdecken. Dies wolle sie „bruchlos sicherstellen“, versicherte Kramp-Karrenbauer bei einem Besuch in den USA. Für AfD-Mann Otten steht die umstrittene nukleare Teilhabe zu sehr im Mittelpunkt. Ein Flugzeug müsse auch „Wirkmittel ins Ziel bringen“: „Es geht vor allem darum, daß das künftige Kampfflugzeug diese Aufgabe gegen eine fortschrittliche und tödliche Luftabwehr erfolgreich durchführen kann. Das kann der Tornado bereits seit mehreren Jahren nicht mehr.“

Anfang Oktober erschienen Berichte in verschiedenen Medien, daß es Zeitprobleme bei der Zertifizierung durch die USA für den Eurofighter geben könne. Von einer Verzögerung von drei Jahren war die Rede und einer angeblichen Favorisierung der F/A 18 durch die Bundesregierung. Der Airbus-Konzern hielt dagegen: „Der Eurofighter besitzt alle technischen Voraussetzungen, um auch die Nukleare-Teilhabe-Rolle des Tornados bis 2030 zu übernehmen.“ Die Zeitprobleme spielte Airbus herunter. 

Angeblich macht auch Airbus-Teilhaber Frankreich Druck: Die Franzosen wollen nur am langfristigen Eurofighter-Nachfolgeprojekt „Next Generation Weapon System“ (NGWS) festhalten, wenn Deutschland mehr Eurofighter abnimmt. Für Bundesregierung und Luftwaffe wäre die Festlegung auf nur einen Flugzeugtyp des Herstellers Airbus fragwürdig, gefährdet vielleicht sogar die Einsatzbereitschaft. Die militärischen Airbus-Produkte werden im Regelfall zu spät fertig und funktionieren schlecht. 

Die Liste fragwürdiger Airbus-Projekte reicht vom Pannen-Transporter A400M über nicht funktionierende Hubschrauber bis zum mängelbehafteten Eurofighter. Alternativprojekte wie ein Angebot von Lockheed-Martin, den Deutschen Transportflugzeuge im Leasing-Verfahren zu überlassen, wußte Airbus zu verhindern. „Das einzige, was bei denen immer funktioniert, ist die Lobbyarbeit“, heißt es in Berlin.