© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 43/19 / 18. Oktober 2019

Blick in die Medien
Trojaner für die Türkei
Tobias Dahlbrügge

Netzpolitik.org hat Ärger: Das Netzmagazin, dessen Gründer und Chefredakteur, Markus Beckedahl, Mitglied des Berliner Landesmedienrates ist und aus dem Grünen-Spektrum stammt, hat Post von einer großen Anwaltskanzlei bekommen. Netzpolitik.org hatte berichtet, daß die Spionage-Software „FinSpy“ – auch als „Staatstrojaner“ bekannt – mutmaßlich auf Smartphones türkischer Oppositioneller entdeckt wurde. Der Trojaner wird vom deutsch-britischen Unternehmen FinFisher mit Sitz in München entwickelt. Auf den Handys der türkischen Oppositionellen tarnte sich eine Spionage-Software als App zur Vernetzung von Erdogan-Gegnern. Technik-Experten vermuten, daß es sich um einen Trojaner von FinFisher handeln könnte.

Wird die Spionage-Software gezielt im arabischen Raum vermarktet? 

Darauf erstattete Netzpolitik.org gemeinsam mit verschiedenen Gruppierungen wie „Reporter ohne Grenzen“ Strafanzeige gegen das Unternehmen wegen Verdachts des illegalen Exports des Trojaners an das Erdogan-Regime.

Die Firmenanwälte zwangen den Blog, den Artikel vom Netz zu nehmen. Es handle sich, so der Inhalt der Abmahnung, um „vorverurteilende Verdachtsberichterstattung“.

Netzpolitik.org berichtet seit Jahren über den mutmaßlichen Handel mit in Deutschland entwickelten Trojanern und deren angebliche Lieferung an Diktaturen. Seit 2012 wird dabei explizit FinFisher immer wieder vorgeworfen, die Software insbesondere im arabischen Raum zu vermarkten.

Der Blog nennt sich selbst „die lauteste Stimme gegen Staatstrojaner“, die nun politisch opportun durch juristischen Druck mundtot gemacht werden solle. Der Verein bittet um Spenden, um den Kampf auch vor Gericht aufnehmen zu können, denn Opfer des „Maulkorbes“ durch die „Überwachungsindustrie“ seien nicht nur die Leser von Netzpolitik.org, sondern laut Beckedahl vor allem die Oppositionellen, die von ihren Regierungen ausgespäht würden.