© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 43/19 / 18. Oktober 2019

Knapp daneben
Gelebter Korpsgeist
Karl Heinzen

Das Café „Modeste“ in der Antwerpener Wapenstraat war lange Zeit ein beliebter Anlaufpunkt für Polizisten, um nach Feierabend außerdienstliche Geselligkeit zu pflegen. Da es zumeist nicht bei einem oder zwei Gläsern Bier blieb und die Stimmung ab und zu arg ausgelassen wurde, sah sich die Stadt gezwungen, der Tradition ein Ende zu bereiten. Vor ein paar Tagen jedoch drückte sie ein Auge zu. Diese Nachlässigkeit dürften die Verantwortlichen nun bereuen. Vielleicht hätte alles ein gutes Ende genommen, wären es bloß einheimische Polizisten gewesen, die ein paar Stunden unter sich verbringen wollten. Als jedoch auch noch eine Brüsseler Eliteeinheit der föderalen belgischen Polizei hinzustieß, war die Lage nicht mehr zu retten. Tief in der Nacht kam es zu Wortgefechten und einer Massenschlägerei mit einigen Leichtverletzten. Polizeikräfte mußten einschreiten, um das Freizeitvergnügen ihrer Kollegen zu unterbinden.

Genau diesen Stolz auf die eigene Einheit braucht ein vom Scheitern bedrohter Staat wie Belgien

Die belgischen Behörden stehen nun vor der Frage, ob über straf- oder zivilrechtliche Konsequenzen hinaus auch Disziplinarmaßnahmen gegen die Täter zu ergreifen sind. Als Staatsbürger haben Polizisten zwar einen Anspruch darauf, bei Gesetzesverstößen außer Dienst wie jeder andere Rechtsbrecher behandelt zu werden. Gleichwohl hält sich die Auffassung, daß sie als Repräsentanten ihres Staates auch in der Freizeit eine Vorbildfunktion zu erfüllen hätten.

Genau diesem Anspruch sind die Antwerpener Schlägerpolizisten und ihre Brüsseler Kameraden jedoch gerecht geworden. Hätten sie einfach nur ein Gewaltbedürfnis ausleben wollen, wäre jeder auf jeden losgegangen. Tatsächlich prügelten die Delinquenten aber bloß auf Vertreter der jeweils anderen Einheit ein. Dies ist der von Stolz auf die eigene Uniform geprägte Korpsgeist, den gerade ein beständig vom Scheitern bedrohter Staat wie Belgien braucht. Vor allem aber handelt es sich um ein starkes Signal an alle Gesetzesbrecher: Verlaßt euch nicht darauf, daß der Rechtsstaat euch vor der Polizei schützt. Wenn diese seine Regeln untereinander mißachten kann, ist ihr das gegenüber Kriminellen erst recht möglich.