© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 44/19 / 25. Oktober 2019

Klima- statt Verbraucherschutz: Ticketsteuer noch zu niedrig?
„Kein Recht auf Billigflieger“
Jörg Fischer

In der Theorie sind Verbraucher mündig und Anbietern ebenbürtig. In der Praxis sieht es anders aus. Deswegen entstand 1953 die Arbeitsgemeinschaft der Verbraucherverbände (AgV). Neun Jahre später wurde dank Kanzler Ludwig Erhard die Stiftung Warentest gegründet. Unter Willy Brandt wurde nicht nur mehr Demokratie, sondern auch mehr Verbraucherschutz gewagt. Das ist ewig her, längst geht es wieder bergab – mit dem Argument „Klimaschutz“.

So werden teure Stromsparwaschmaschinen empfohlen – auch wenn sich darin antibiotikaresistente Bakterien (Klebsiella oxytoca) einnisten, wie eine Studie der Uni Bonn warnt. Der AgV-Nachfolger Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV) verlangt sogar, den Bürgern noch tiefer in die Tasche zu greifen: „Wer mehr CO2 ausstößt, sollte auch mehr bezahlen“, sagt VZBV-Chef Klaus Müller. Daß Einnahmen aus der „CO2-Bepreisung“ niemals „komplett an die Verbraucher zurückfließen“, weiß der 48jährige Volkswirt – wegen der Erhebungskosten und der beabsichtigten Lenkungswirkung: Ist der finanzielle Spielraum dank „Klimascheck“ größer, verliert die CO2-Bepreisung ihren Schrecken. Wird in der Wohnung gefroren statt geheizt oder zur Arbeit gelaufen statt gefahren, gibt es keine Einnahmen.

Doch als Bedenkenträger hätte Müller nicht jene Grünen-Karriere starten können, die ihn via Bundestag, Kieler Landesregierung und Verbraucherzentrale NRW 2014 an die VZBV-Spitze führte. Hier sorgt er sich um grüne Besserverdiener-Ideologie: „Viele“ Verbraucher wollten „einen Beitrag zum Klimaschutz leisten“, behauptet Müller. Doch selbst in der vom VZBV bezahlten Kantar-Umfrage wollen nur 31 Prozent wirklich einen „finanziellen Beitrag“ leisten.

Im Handesblatt legte er nun nach: Die 2011 unter Schwarz-Gelb eingeführte Ticketsteuer von derzeit 7,38 auf 13,03 Euro für Kurz-, von 23,05 auf 33,01 Euro für Mittel- und von 41,49 auf 59,43 Euro für Langstreckenflüge zu erhöhen reiche nicht. Flüge im innerdeutschen Bereich müßten „grundsätzlich und immer deutlich teurer“ sein als eine Bahnreise, denn „es steht nirgendwo im Grundgesetz, daß es ein Recht auf Billigflieger gibt“, so Müller. Ja, im AgV-Gründungsjahr war Fliegen ein Privileg der Reichen und Mächtigen, der Rest ist gewandert, geradelt oder per Bahn in die Sommerfrische gefahren.

Umverteilung von unten nach oben ist längst kein Problem mehr, wenn es einem „grünen“ Zweck dient: Die jährlich von allen Stromkunden abgepreßten zweistelligen Milliardenbeträge wandern beispielsweise in die Taschen finanzkräftiger Wind-, Solar- oder Biogasinvestoren oder ihrer Geldgeber. Anfangs kostete die Förderung der „erneuerbaren Energien“ wirklich nur ein Eis monatlich – heute wetteifert Deutschland mit Dänemark um die höchsten Strompreise der Welt. „Klimaschutzmaßnahmen zum Nulltarif gibt es nicht“, argumentiert VZBV-Chef Müller.