© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 44/19 / 25. Oktober 2019

Hurra, die Heizkosten sinken
Mietenexplosion: Eine aktuelle Studie des BUND rechnet die energetische Zwangsmodernisierung schön
Paul Leonhard

Geht es nach dem „Kurzgutachten zur sozialen und klimagerechten Aufteilung der Kosten bei energetischer Modernisieung im Wohnungsbestand“, das der Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland (BUND) in Auftrag gegeben hat, drohen Deutschland zusätzliche Milliardenausgaben. Damit sich die Betroffenen aber nicht an der Wahlurne wehren, soll künftig jeder Mieter nur für ein Drittel der Zwangsmodernisierungskosten aufkommen. Zudem fielen künftig weniger Heizkosten an, und alle zur Kasse gebetenen würden dann „in höherem Maß von den volkswirtschaftlichen Vorteilen der Energieeffizienz“ profitieren.

Ziel ist eine „warmmietneutrale“ Umlage

Es sei nun gelungen, den „scheinbaren Widerspruch zwischen Klimaschutz und sozialer Sicherheit“ für die verschienenen Akteure aufzulösen, versichern die Wissenschaftler des Heidelberger Instituts für Energie- und Umweltforschung (Ifeu), die die – dank Gender-Sternchen – schwer lesbare Studie erstellt haben. Das Ifeu greift das 2012 von BUND, Mieterbund und Naturschutzring vorgestellte „Drittelmodell“ auf: Danach sollen die Kosten und Nutzen für die energetische Modernisierung zwischen Mietern, Vermietern und Staat aufgeteilt werden. Ziel ist es, eine „warmmietneutrale“ Umlage zu erreichen.

Daß Immobilieneigentümer keine Klimasamariter und der Staat sich sein  Fördergeld überwiegend via Mehrwert-, Lohn-,­ Energie-, Versicherung-, Strom- oder Kfz-Steuer holt, blenden die Studienautoren Peter Mellwig und Martin Pehnt aus. Immerhin berücksichtigen sie Faktoren wie Mietausfälle, Grundsteuern oder Restwerte in einem „eigens entwickelten Rechenmodell“. Sie gehen auf die unterschiedliche Situation von Privatvermietern und Wohnungsgesellschaften sowie auf wachsende, schrumpfende und konstante Wohnungsmärkte ein.

Konkret wird vorgeschlagen, die Steuerzahlerzuschüsse für Effizienzhäuser („KfW 55“) auf 40 Prozent, die für Einzelmaßnahmen auf 30 Prozent zu erhöhen. Andere Effizienzhausförderungen sollen ebenso wie die Förderung von fossilen Heizungen abgeschafft werden. Sollte die Modernisierung „eine unzumutbare Härte für Mieter“ darstellen, werde ihnen „die entstehende Warmmietenerhöhung aus öffentlichen Mitteln bezahlt“. Staatliche Fördermittel sollen direkt den Vermietern zugute kommen, die Modernisierungsumlage von acht auf bis zu 1,5 Prozent sinken, was durch eine geänderte Bezugsgröße etwa drei Prozent im heutigen System entspricht.

Dabei warnen die Wissenschaftler ausdrücklich davor, aus ihrem Lösungsvorschlag nur einzelne Maßnahmen umzusetzen: Sollen die Änderungen ihre gewünschte Wirkung entfalten, nämlich die Klimaschutzziele zu erfüllen und die Kosten zwischen den Akteuren auszubalancieren, können sie „nur als Paket eingeführt werden“. Der „ambitionierte Umbau des Gebäudebestandes“ erfordere hohe Investitionen, die insbesondere im vermieteten Bestand leider nicht immer durch die ausgelösten Energieeinsparungen aufgewogen werden. Mehr noch: Die Berechnung der zu erzielenden Energieeinsparung sei „durchaus komplex und fehleranfällig“.

Letzteres läßt sich in einer Prognos-Studie von 2013 genauer nachlesen: Bei energetischen Gesamtinvestitionen – je nach Prognoseszenario – von 838 bzw. 953 Milliarden Euro bis 2050 gebe es bis 2080 lediglich Energiekosteneinsparungen von 372 bzw. 453 Milliarden Euro. Was aber aus schwarz-grün-roter Sicht nicht schlimm ist: Die Steuereinnahmen kletterten dabei um 118 bzw. 139 Milliarden Euro. Der kumulierte CO2-Ausstoß sinke um 67 bzw. 81,4 Millionen Tonnen pro Jahr – was, bezogen auf den aktuellen Wert von etwa 907 Millionen Tonnen, einer Reduktion von 7,4 bzw. 8,9 Prozent entspricht.

Bislang rechnet sich eine energetische Sanierung für Vermieter nur, wenn so Altmieter aus ihren Wohnungen verdrängt und danach an solventere Neumieter gehen. Die Sanierungsrate von vermieteten Gebäuden stagniere aktuell bei jährlich unter einem Prozent. Um im Jahr 2050 einen „klimaneutralen“ Bestand zu erreichen, müsse der „Treibhausgasausstoß“ von Gebäuden bis 2030 jedes Jahr im Schnitt um mindestens vier Prozent sinken, glaubt BUND-Energieexperting Caroline Gebauer.

Für jeden Förder-Euro fließt ein Mehrfaches zurück?

Nach ihren Berechnungen würde die Warmmiete bei Durchsetzung der geforderten „angepaßten Instrumente“ in einem wachsenden Markt von einem Quadratmeterpreis von aktuell 7,21 auf 7,15 Euro nach der Modernisierung sinken. Bei einem konstanten Markt würden sie stabil bleiben, bei einem schrumpfenden Markt von 5,27 auf 5,19 Euro sinken. Aber selbst mit den bestehenden Regelungen steige die Bruttowarmmiete lediglich im wachsenden und konstanten Markt leicht, von 7,21 auf 7,71 Euro bzw. von 8,33 auf 8,48 Euro, während sie im schrumpfenden Markt von 5,27 auf 5,25 Euro falle.

Auch für den Steuerzahler werde es nicht teuer: Zwar müsse der Betrag für das bisher mit zwei Milliarden Euro jährlich ausgestattete CO2-Gebäudesanierungsprogramm auf sieben Milliarden pro Jahr angehoben werden. Diesen höheren Ausgaben stünden aber höhere Einnahmen bei der Umsatz-, Einkommenssteuer und den Sozialabgaben entgegen. Auch würden zusätzliche Investitionen ausgelöst – was auch FDP und der Wirtschaftsflügel der Union gerne hören. Unter Verweis auf andere Studien, nach denen für jeden eingesetzten Förder-Euro zwischen 3,8 und 12,6 Euro zurückfließen, wären „die Einnahmen, die der Bundeshaushalt durch die Förderprogramme für energetische Modernisierung erhält, höher als die Programmkosten“.

Die Wissenschaftler empfehlen daher, das Förderbudget für energetische Modernisierungen deutlich anzuheben. So würden zwar die öffentlichen Haushalte mehr als ein Drittel der Kosten tragen, aber andererseits von den ausgelösten Investitionen profitieren: „Die volkswirtschaftlichen Vorteile der Energieeffizienz würden also in den betriebswirtschaftlichen Rahmen übersetzt.“ Passend dazu fordern die Grünen im Bundestag die Umsetzung ihres Sieben-Milliarden-Programms „Faire Wärme“ für Klimaschutz, so Christian Kühn, Sprecher für Bau- und Wohnungspolitik.

Klimaschutz im Gebäudebereich sei mit dem Mieterschutz vereinbar, wenn der Bund den entsprechenden finanziellen Rahmen setze. Denn von diesem sei abhängig, ob der Gebäude- oder Wohnungseigentümer „zielgenau und wirtschaftlich“ in die Zukunft investiere. Kühn wirft gleichzeitig der Bundesregierung vor, bisher die energetischen Modernisierungskosten auf die Mieter abzuwälzen, sei es doch bisher möglich, acht Prozent der Kosten auf die Miete aufzuschlagen. Nach dem neuen Konzept wären es maximal drei Prozent.

Die oppositionellen Grünen in Niedersachsen wollen Mieter mittels einer mehrere hundert Millionen Euro schweren Landesförderung von „erneuerbarer Wärme“ überzeugen. Diese soll Altbaumieter vor steigenden Öl- und Erdgaskosten schützen und die Konjunktur durch ein Verfünffachen der Klimaschutzinvestitionen im Gebäudesektor beleben, so Fraktionsvize Christian Meyer.

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