© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 44/19 / 25. Oktober 2019

Eine Branche im Umbruch
Crossmediale Ansätze: Deutsche Medienhäuser strukturieren ihre Redaktionen um
Gil Barkei

Springers Umstrukturierungspläne schlugen in der Medienlandschaft ein wie eine Bombe: 50 Millionen Euro will der Verlag – hauptsächlich bei gedruckten Nachrichtenblättern – einsparen (JF 41/19), gleichzeitig 100 Millionen in die crossmediale Verzahnung investieren. Markantestes Projekt: die Bild-Marke soll zum „News, Entertainment und Sport“-Fernsehen ausgebaut werden. 20 Millionen Euro will Springer allein dafür bereitstellen. 

Von 18 Stunden Live-TV täglich ist die Rede, das Bild-Chefredakteur Julian Reichelt auch als Gegenentwurf zu ARD und ZDF entwickelt. „Wir wollen das Land, die Welt, die Politik und den Alltag der Menschen so zeigen, wie es die Leute erleben, und nicht so steril und weichgespült wie teilweise bei den Öffentlich-Rechtlichen“, betont der 39jährige gegenüber dem Spiegel. „Wenn nötig, schicken wir zehn Leute los, die innerhalb von 24 Stunden vor Ort und sendefähig sind. Die brauchen nicht erst Satellitenschüsseln, Übertragungswagen, Maske und ewige Planungskonferenzen.“ 

Schon jetzt betreibt bild.tv ein internationales Bewegtbild-Angebot im Internet. Eigene Sendestrukturen sind seit dem Kauf von N24 im Jahr 2013 und dessen Umbenennung zum Nachrichtenkanal „Welt“ vorhanden. Gemäß der Ex-Kanzler Gerhard Schröder zugeschriebenen Aussage „Zum Regieren brauche ich nur Bild, BamS und Glotze“ kommt so bald das komplette Paket aus einem Haus.

Jedoch nicht nur Axel Springer, die gesamte Branche befindet sich im Umbruch. Ein Medienhaus, das nur noch auf einen Ausspielungskanal setzt, erscheint kaum mehr zukunfts- und überlebensfähig. Online, Print, Audio und Bewegtbild miteinander zu verknüpfen sowie neuartige Partnerschaften sind das Gebot der Stunde, um künftige (Digital-)Abonnenten und Werbekunden zu erreichen.

Hauptaugenmerk liegt auf digitalen Produkten

Auch die Südwestdeutsche Medienholding (SWMH), zu der unter anderem die Süddeutsche Zeitung und die Stuttgarter Nachrichten gehören, kündigte kürzlich Investitionen in Höhe von 100 Millionen Euro an. Parallel sollen laut Handelsblatt bis Ende 2020 etwa 150 Stellen gestrichen werden. Hauptaugenmerk der Finanzspritze sind angesichts rückläufiger Druckauflagen digitale Produkte. Bis 2022 solle knapp ein Drittel des gesamten Umsatzes aus ihnen generiert werden, aktuell sind es lediglich sieben Prozent. Insbesondere die SZ soll als Zugpferd ausgebaut werden und die Plus-Abos von 80.000 auf 150.000 steigern. Das heißt auch, daß Print- und Online-Redaktionen stärker kooperieren. 

Eine Entwicklung, die der Spiegel mit seinem „Projekt Orange“ ebenso vorantreibt. Künftig nutzen dort Heft- und Netzredakteure zusammen ein neues Redaktionssystem; das Ziel: eine Gemeinschaftsredaktion. Ab Frühjahr 2020 soll es dann nur noch einen einheitlichen Auftritt unter „Der Spiegel“ geben, der Name „Spiegel Online“ verschwindet.

Ähnliches plant Wirtschaftswoche-Chefredakteur Beat Balzli, der die WiWo auch in „ein Wirtschafts-Onlinemagazin“ verwandeln und dafür laut Branchendienst „Meedia“ einen neuen Arbeitsaufbau etablieren möchte. Ab kommendem Jahr sollen Fachressorts ganze Themenpakete recherchieren, die online wie offline genutzt werden können.

Die Madsack-Mediengruppe, zu der Titel wie die Hannoversche Allgemeine Zeitung oder die Leipziger Volkszeitung gehören, hat mit ihrem übergreifenden Portal rnd.de des Redaktionsnetzwerks Deutschland gleich eine komplette Nachrichten-Onlineseite auf den Markt geworfen, der mit den ausgebauten Angeboten von t-online.de (JF 42/17) und rtl.de (JF 10/19) ohnehin zwei starke News-Konkurrenten dazubekommen hat. Nun hat Madsack den Audiodienst radio.net in das RND integriert. Nutzer sollen dort Angebote vom klassischen Radio über Streams bis zu Podcasts erhalten. Das RND soll neue journalistische Audioformate liefern.

Auch der schwedische Audio-on-Demand-Service Spotify plant, sein Newsangebot auszubauen und startet in Deutschland seinen „Daily Drive“-Podcast, einen Musik-Nachrichten-Mix, der an klassische Radioprogramme erinnert. Als Partner sind unter anderem das Handelsblatt, Der Spiegel, Die Zeit, die Süddeutsche Zeitung, der Deutschlandfunk und der SWR dabei. 

Bereits vor zwei Jahren konzentrierten alle neun ARD-Rundfunkanstalten ihre Audioangebote in der ARD-Audiothek. Darunter auch exklusive Inhalte abseits des linearen Radioprogramms. Seither habe sich die Audiothek zu „einer der fünf Hauptsäulen des digitalen Gesamtangebots der ARD“ entwickelt, erklärt der Vorsitzende der ARD-Hörfunkkommission und BR-Hörfunkdirektor, Martin Wagner, im Interview mit medienpolitik.net. 

Einen Schritt weiter geht der Bayerische Rundfunk. Im für 200 Millionen Euro errichteten neuen Redaktions- und Sendezentrum, das 2022 in München-Freimann fertiggestellt sein soll, sitzen alle Redaktionen aus Radio, Fernsehen und Online unter einem „trimedialen Dach“.