© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 44/19 / 25. Oktober 2019

Shimpu¯ Tokko¯tai
Kamikaze seit 1944: Der Tod war ihnen sicher
Thomas Schäfer

In den Kriegen der Vergangenheit kam es immer wieder auch zu Selbstmordmissionen – man denke nur an den Einsatz der Spartaner in der Schlacht an den Thermopylen oder das Opfer des Schweizer Nationalhelden Arnold Winkelried. Allerdings fanden sich in keinem anderen Land der Welt mehr junge Soldaten dazu bereit, in den sicheren Tod zu gehen, als im Kaiserreich Großjapan während des Pazifischen Krieges.

Schon zu dessen Beginn unternahmen manche Piloten in prekärer Lage Suizid-Attacken, um Nippon zum Sieg zu verhelfen. Jedoch waren das zunächst noch Einzelfälle. Dann freilich geriet Japan in die Defensive und lief im Herbst 1944 Gefahr, die erst 1942 eroberten Philippinen wieder an die Vereinigten Staaten zu verlieren. Angesichts der gigantischen Übermacht der US-Landungstruppen unter General Douglas MacArthur sowie der Invasionsflotte unter den Admiralen Thomas Kinkaid und William Halsey mit insgesamt 12 Schlachtschiffen, 32 Flugzeug- bzw. Geleitträgern, 23 Kreuzern und 94 Zerstörern sah die japanische Seite, welche beispielsweise nur vier Träger aufbieten konnte, keinen anderen Ausweg, als zu verzweifelten Maßnahmen zu greifen. Dazu gehörte die Aufstellung einer „Spezial-Angriffstruppe“ namens Shimpu Tokkotai, auch Kamikaze genannt.

Auf Befehl von deren Gründer, Vizeadmiral Onishi Takijiro, stürzten sich am 25. Oktober 1944 während der See- und Luftschlacht vor den Inseln Leyte und Samar, welche das Ende der japanischen Herrschaft über die Philippinen einläutete, die ersten elf Kamikaze-Flugzeuge auf US-Flottenverbände. Neben der Versenkung des Geleitträgers „St. Lo“ gelang es ihnen, noch vier weitere solcher Giganten der Meere zu beschädigen. Danach versuchten die Kamikaze, jede größere Angriffsoperation der USA und ihrer Verbündeten zu stören. Das galt ganz besonders für die Erstürmung der japanischen Insel Okinawa, zu der die US-Task Force 51 mit über 1.200 Schiffen anrückte.

Durch die Attacken der Shimpu Tokkotai verlor der Gegner insgesamt zwischen 34 und 57 schwimmende Einheiten, und weitere 368 wurden beschädigt. Im Gegenzug starben wohl bis zu 6.000 Kamikaze-Piloten – genaue Statistiken existieren nicht. Der letzte Einsatz von Kamikaze-Maschinen erfolgte am 15. August 1945. An Bord einer derselben befand sich Vizeadmiral Ugaki Matome, der unmittelbar nach der Radioansprache von Kaiser Hirohito, in der die japanischen Streitkräfte zur Einstellung der Kämpfe aufgerufen worden waren, zum Angriff geblasen hatte.