© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 45/19 / 01. November 2019

Zwischen Reichstag und Kanzleramt
Alles muß raus
Paul Rosen

Die Weihnachtszeit rückt näher. Wer in den Lebensmittelmärkten an den Regalen entlanggeht, findet schon Lebkuchen, Zimtsterne und Spekulatius. Vor dem Metro-Markt am Berliner Ostbahnhof weisen überdimensionale, beleuchtete Rentiere den Weg. Im Deutschen Bundestag hängen zwar auch noch keine Adventskränze. Und auch die Weihnachtsbäume in den Foyers sind noch nicht aufgestellt worden.

Doch vorweihnachtliche Konsumstimmung – die ist schon da: „Also jetzt geht’s ans Einkaufen. Bitte Plan erstellen, was wann wer für wen beschafft werden muß. Danke“, schrieb in etwas holprigem Deutsch die CDU-Abgeordnete Antje Lezius (Bad Kreuznach) am 23. Oktober von ihrem iPad an die Mitarbeiter ihres Bundestagsbüros.  

Was war passiert? Lezius hatte wie übrigens alle anderen Mitglieder des Bundestags auch eine Mail von der Bundestagsverwaltung und zwar vom „Referat BL 5 Zentrale Bedarfsdeckung und Logistik“ erhalten. Dort war zu lesen: „Um im Rahmen der Jahresend-abrechnung Ihres Kontos für Sachleistungen die Erstattung Ihrer mandatsbedingten Aufwendungen zu Lasten des Haushaltsjahres 2019 sicherzustellen, ist es wichtig, daß Ihre Erstattungsbeträge vor dem Kassenschluß der Bundeskasse gebucht werden.“

Übersetzt aus dem Behördendeutsch heißt das: Für jeden Volksvertreter gibt es neben der steuerfreien Kostenpauschale in Höhe von 53.000 Euro im Jahr noch ein „Sachleistungskonto“, das mit 12.000 Euro befüllt ist. Dieser Betrag wird nicht ausgezahlt, sondern die Rechnungen für Papier, Füller, Bleistifte, Handys und anderes Büromaterial sind bei der Verwaltung einzureichen – und zwar rechtzeitig, denn sonst kann die Verbuchung im aktuellen Jahr „angesichts des engen Zeitfensters bis zum Kassenschluß nicht garantiert werden“, wie die Bundestagsverwaltung schreibt.

Deshalb trieb Lezius ihre Mitarbeiter zur Eile an. Und tippte versehentlich statt auf „Antworten“ an ihr Büro auf „Allen antworten“, so daß ihr Einkaufsappell an alle Büros im Bundestag ging. Selbst Ex-Präsident Wolfgang Thierse (SPD), der zwar kein Mandat mehr, aber immer noch ein Büro im Bundestag hat, bekam die Mail von Lezius. Wo überall einkauft werden kann, zeigt die Mail des Bundestages durch einen Hinweis: „Bei Barkäufen in den Filialen der Firmen Saturn und Media Markt legen Sie bitte unbedingt Rechnung und Bon vor.“ Dort gibt es bekanntlich fast alles, was gerne unter deutsche Weihnachtsbäume gelegt wird.

Der Bund der Steuerzahler hat herausgefunden, was von den Sachleistungskonten der Abgeordneten in der Vorweihnachtszeit (November und Dezember) so alles beschafft wurde: Im vergangenen Jahr waren das 171 Laptops, 323 Smartphones und 247 Tablets. Rechenschaft ablegen, wozu diese Anschaffungen getätigt wurden, müssen die Abgeordneten nicht. Ob aber der (natürlich ironisch gemeinte) Wunsch aus einem anderen Abgeordnetenbüro in Erfüllung geht, ist jedoch zu bezweifeln: „Liebe Frau Lezius, ich wünsche mir ein Pony“. Ein Laptop unterm Weinachtsbaum wäre aber kein Problem.