© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 45/19 / 01. November 2019

Neue EU-Erweiterungsverhandlungen als teures Placebo
Macrons Joker
Harald Weyel

Emmanuel Macron ist immer für eine Überraschung gut. Meist verläßt der französische Präsident dabei nicht den Pfad des guten proeuropäischen Populismus. Für sein Veto gegen die Aufnahme von EU-Beitrittsverhandlungen gegen Nordmazedonien und Albanien hagelt es aber nun Kritik von allen Seiten. Selbst Ursula von der Leyen und Angela Merkel konnten ihre Verärgerung nur mühsam unterdrücken.

Für das Veto gegen das Nato-Mitglied Albanien, bei dem die Niederlande und Dänemark mit von der Partie waren, gab es mit Blick auf die Asylanträge in der EU nur verhaltene Kritik. Im Falle Nordmazedoniens malen die Propagandisten aber den EU-Untergang an die Wand: China und Rußland würden ihren Einfluß nicht nur in der Region ausbauen, sondern ganz Europa destabilisieren. Sie hätten dabei leichtes Spiel, weil Nordmazedoniens EU-Bemühungen nicht belohnt worden seien und jetzt dort wieder die Nationalisten die Oberhand gewinnen würden.

Die Wirklichkeit sieht etwas anders aus: Alle Berichte der Venedig-Kommission sowie zahllose Tagungen und Konferenzen kommen zu dem Ergebnis, daß in allen Ländern des Westbalkans, Nordmazedonien macht da keine Ausnahme, erhebliche Probleme in den Bereichen Rechtsstaatlichkeit, Korruption und organisierte Kriminalität existieren. Das Allheilmittel des EU-Beitritts erweist sich insbesondere in wirtschaftlicher Hinsicht als Placebo: Die positiven Effekte sind im Hinblick auf Ex- und Import sowie Direktinvestitionen längst eingetreten und nur durch noch mehr EU-Geld steigerbar.

Die negativen Effekte, etwa die Abwanderung von qualifizierten Arbeitskräften, dürften sich durch einen Beitritt wesentlich verstärken. Zu erwarten wäre weiterhin, kaum daß sich ein nationaler Privatsektor etabliert hat, der Tod der klein- und mittelständischen Unternehmen, weil die Multis einfach besser wissen, wie man das EU-Kohäsionsgeld abgreift, Rumänien ist da ein mahnendes Beispiel. Die zweifellos vorhandenen Probleme der Infrastruktur im Westbalkan lassen sich auch mittels Investitionen lösen, es müssen nicht immer EU-Subventionen sein.

Im Mai hat die AfD-Bundestagsfraktion den Antrag eingebracht, den Westbalkanstaaten reinen Wein einzuschenken und ihnen keine EU-Perspektive vorzugaukeln. Daß es Macron ist, der den Westbalkan auf den Boden der Tatsachen zurückholt, entbehrt nicht einer gewissen Ironie. Der Vorzeigeeuropäer Macron hat ganz offensichtlich erkannt, daß der Balkan keine französische Einflußzone mehr ist. Zudem hat Macron nicht vergessen, daß Deutschland seinen EU-Ausbau-Plänen nicht jubelnd gefolgt ist. Die EU-Zukunft des Westbalkans wird ihm dabei als Faustpfand noch gute Dienste leisten.






Prof. Dr. Harald Weyel ist Ökonom und AfD-Obmann im Bundestagsausschuß für die Angelegenheiten der EU.