© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 45/19 / 01. November 2019

Jedermannsliebe hat nichts mit christlicher Ethik zu tun
Ein weiterer Band unter Ägide des Theologen Felix Dirsch kritisiert den anhaltenden linksliberalen Kurs in der offiziellen Kirchenpolitik
Werner Olles

Im Nachfolgeband von „Rechtes Christentum“ (Graz 2018) „Nation, Europa, Christentum“ erwartet den Leser einmal mehr eine fundierte Kritik der liberalen Theologie und des offenen Linkskurses der beiden Großkirchen. Wie die Herausgeber Felix Dirsch, Volker Münz und Thomas Wawerka betonen, ist eine Klärung nicht nur dringend geboten, sondern längst überfällig. So widmet sich Thomas Wawerka in seinem Beitrag den biblisch-theologischen Grundlagen Nächstenliebe und Barmherzigkeit, die heute vor allem von Linken und Liberalen zu einem scheinheiligen Moralismus degradiert werden mit Schlagworten wie „Menschenrechte, Demokratie, Gleichheit und Vielfalt“, in Wirklichkeit aber eine Kampfansage gegen den unverfälschten Glauben, die Tradition, den Konservatismus, die Familie und das Vaterland sind. Der Aufruf zur „Jedermannsliebe“ hat also nichts mit christlicher Ethik zu tun, er soll nur das eigene Gewissen beruhigen.

Felix Dirsch Beitrag „Der Glaube und die politische Gesäßgeographie“ befaßt sich mit dem Christentum und der Rechts-Links-Differenz. Der Autor weist nach, daß ein „volks- und heimatnahes Christentum“ bereits in seiner Frühzeit existierte. So sprach beispielsweise Karl Rahner von der „Vaterlandsliebe der Märtyrerkirche“. Von den Einflüssen der Freimaurerei seit der Französischen Revolution bis zum Wahngebilde einer „Neuen Weltordnung“ mit dem perfiden Plan einer vollständigen Entmachtung der Völker, Nationen, Regionen und staatlichen Organisationen zieht sich eine klare Linie zum heutigen Globalismus, dem ein „rechtes“, traditionalistisches Christentum seine strikte Ablehnung links-liberaler Projekte wie Abtreibung, Ehe für alle oder Gender-Mainstreaming entgegenhalten muß.

Der Brand der Kathedrale Notre-Dame als Fanal

Weihbischof Athanasius Schneiders „Mahnwort an die Christen Deutschlands“ gehört zu den eindrücklichsten Beiträgen. Er schildert den Brand der Kathedrale Notre-Dame in Paris am 15. April 2019. In Notre-Dame kam das von Gott in der Natur festgeschriebene Gesetz der Sehnsucht des Menschen nach Halt, Schönheit und Wahrheit zum Ausdruck, „inmitten einer Welt, die vor seinen Augen zusammenbricht, nämlich durch Häßlichkeit, Unvernunft, Kulturlosigkeit, Herzlosigkeit, ausufernden Egoismus des Faustrechts, Gnadenlosigkeit, menschliche Kälte“. Nur die Hoffnungslosigkeit bleibe übrig, wenn man die Stadt Gottes zerstöre und stattdessen eine Stadt des Menschen baue, so Schneider. Weitere Beiträge stammen von Daniel Führing, André Thiele, Marc Stegherr und Jaklin Chatschadorian.

Felix Dirsch, Volker Münz, Thomas Wawerka (Hrsg.): Nation, Europa, Christenheit. Der Glaube zwischen Tradition, Säkuralismus und Populismus. Ares Verlag, Graz 2019, gebunden, 240 Seiten, 19,90 Euro