© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 46/19 / 08. November 2019

Carl-Wolfgang Holzapfel. Ging für die deutsche Einheit sogar ins DDR-Gefängnis
Allein gegen die Mauer
Ronald Berthold

Es gibt nicht viele Bürger, die sich während der deutschen Teilung aktiv für die Wiedervereinigung einsetzten. Einer, der auch dreißig Jahre nach dem Fall der Mauer Erinnerung verdient, ist Carl-Wolfgang Holzapfel. Mit Hungerstreiks, Demonstrationen und spektakulären Aktionen kämpfte der heute 75jährige während ihres ganzen Bestehens gegen die Berliner Mauer. Das brachte dem in West-Berlin aufgewachsenen Aktivisten 1965 in der DDR sogar ein Urteil von acht Jahren Haft ein. Ende Oktober 1966 kaufte ihn die Bundesrepublik nach 13 Monaten, neun davon in Einzelhaft, frei.

Doch der mehrfache Familienvater ließ sich nicht brechen und setzte seinen Kampf gegen den Sozialismus und das Sterben an der Grenze fort. Aufsehen erregte er zuletzt vor drei Monaten, am 13. August, als er sich zum 58. Jahrestag des Mauerbaus am ehemaligen Berliner Grenzübergang Checkpoint Charlie quer über den ehemaligen Grenzstreifen auf die Straße legte (JF 34/19). Ein Papierstreifen symbolisierte den früheren Grenzverlauf. Sein in eine Deutschlandfahne gehüllter Körper „durchschnitt“ diesen – wie die Mauer einst die Nation. Es war ein Aufruf für die innere Einheit.

Der „Mann vom Checkpoint Charlie“, wie ihn die Medien tauften, wiederholte damit eine heikle Aktion, die er drei Jahrzehnte zuvor am selben Ort unternommen hatte. Damals trennte Berlin noch die Mauer, die erst Monate später fiel. Dies war einer der schönsten Tage im Leben des Patrioten, dessen Großteil er dem gewaltlosen Kampf gegen die DDR gewidmet hatte.

Der als Kleinkind aus Bad Landeck in Schlesien Vertriebene begann 1962 mit einem Hungerstreik an der Bernauer Straße, wo die Grenze die Stadt direkt entlang den Hausfassaden teilte. Dann errichtete er Holzkreuze für erschossene Flüchtlinge. 1964 folgten Plakataktionen. Bei einer Demonstration für die Freilassung politischer Gefangener ein Jahr später nahm ihn die Volkspolizei fest, als er den vor der Mauer gelegenen Ost-Berliner Boden betrat. Fortan gehörte er selbst zu den Häftlingen.

Politisch wurde es um den sensiblen und empathischen Holzapfel immer einsamer, weil ihn nicht nur die Linken anfeindeten, sondern auch die bürgerlichen Parteien längst ihren Frieden mit der Mauer gemacht hatten. Der gelernte Bankkaufmann wechselte von der CDU, in die er 1961 eingetreten war, 1972 zur FDP, um 1989/90 ein Intermezzo bei den Republikanern zu geben, das er später als „Irrtum“ bezeichnete. 2005 verließ er nach sieben Jahren auch die CSU.

Bis in dieses Jahr hinein war Holzapfel Vorsitzender der „Vereinigung 17. Juni“. Seit 1963 gehört er der Organisation an, die an die Opfer des Volksaufstandes von 1953 erinnert. Wenn es um die Aufarbeitung der DDR-Verbrechen und das Gedenken an die rund eintausend Toten geht, macht Holzapfel keine Kompromisse – auch dreißig Jahre nach dem Mauerfall nicht.