© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 46/19 / 08. November 2019

Wenn die Inkompetenz zur Staatspolitik erhoben wird
Rumänien: Seinen Kampf gegen die korrupten Postkommunisten hat Präsident Klaus Johannis gewonnen / Sorge um seine Wiederwahl
Paul Leonhard

Die kaum 50.000 Deutschen in Rumänien werden wohl Klaus Werner Johannis wählen, wenn das Land am 10. November über den Präsidenten des Landes abstimmt. Das hat das Demokratische Forum der Deutschen in Rumänien (DFDR ) im September beschlossen. Man werde empfehlen, für den Siebenbürgener Sachsen zu stimmen, hieß es in dem einstimmigen Entschluß. Auch bei den 1,1 Millionen Ungarn und den 18 Millionen Rumänen und anderen Volksgruppen stehen die Chancen des Hermannstädters auf eine zweite Amtszeit gut. Der 60jährige hat den Erwartungen an einen Deutschen als Präsident entsprochen: Er hat die Korruption bekämpft, hat sich sogar an die Spitze einer Demonstation gestellt, auf denen Zehntausende in Bukarest gegen eine Justizreform der regierenden Sozialdemokraten protestierten, die korrupte Amtsträger amnestiert.

Kann er das ganze Land zum Blühen bringen?

Aber die wichtigste Forderung seitens der EU hat Johannis, dessen Vorfahren sich vor 850 Jahren in Transsilvanien ansiedelten, nicht erfüllen können: Rumänien demokratischer, rechtsstaatlicher und korruptionsfreier zu machen. Von dem „Rumänien der gut gemachten Sache“, von dem Johannis bei seinem Amtsantritt im Dezember 2014 schwärmte, ist das Balkanland weit entfernt. Wie instabil das Land ist, davon zeugen elf Ministerpräsidenten in den vergangenen fünf Jahren, drei gestürzte Regierungen seit 2017 und der permanente Machtkampf zwischen Staatspräsident und Exekutive. Das wiederum hat vor allem mit einem Filz aus Vetternwirtschaft und Korruption zu tun, mit dem die Postkommunisten (Partidul Social Democrat/PSD) das Land unter ihrem langjährigen Führer Liviu Dragnea überzogen haben.

Bis seine Haftstrafe von dreieinhalb Jahren von der letzten Berufungsinstanz im August bestätigt wurde, war der Dorfpolizistensohn Dragnea, obwohl 2016 wegen Wahlfälschung zu einer Haftstrafe auf Bewährung verurteilt und trotz des Vorwurfes der EU, 21 Millionen Euro Fördergelder zweckentfremdet zu haben, als PSD-Chef und Parlamentspräsident der wichtigste Strippenzieher des größen Balkanlandes. Und er war der Hauptgegner von Präsident Johannis.

Der war im August 2014 als Kandidat des Wahlbündnisses Christlich-Liberale Allianz (ACL) in einer Stichwahl gegen Ministerpräsident Victor Ponta vor allem deswegen gewählt worden, weil er seit 2004 als Bürgermeister von Hermannstadt (Nagyszeben/Sibiu) schier Unglaubliches geleistet hatte: Effizient setzte er EU-Fördermittel ein, um die Altstadt zu sanieren, die Infrastruktur zu erneuern und den Flughafen nach westeuropäischem Standard umzubauen.

Ihm traute eine Mehrheit der Wähler zu, als Präsident das ganze Land zum Blühen zu bringen. Allerdings kam kurz nach der Wahl ans Tageslicht, daß auch Johannis keine rein weiße Weste hat. Seinen Grundbesitz in Hermannstadt verdankt er offenbar nicht, wie er selbst behauptet, seiner Sparsamkeit, sondern einem „bearbeiteten“ Testament. Zu einem Prozeß ist es bisher nicht gekommen, weil die Immunität des Amtes ihn schützt. Allerdings schlußfolgerten die PSD daraus, daß Johannis ähnlich tickt wie sie. Als sich das als Irrtum herausstellte, überzogen sie den Präsidenten mit einer Verleumdungskampagne, in der er und die deutsche Minderheitsvertretung als „Nazis“ tituliert und Johannis wegen seiner Teilnahme an der Demonstration gegen die Justizreform des Hochverrrats beschuldigt wurde.

Die Politik der 2016 an die Macht gekommenen PSD war vor allem durch die Versuche bestimmt, wegen Korruption angeklagte Politiker durch Gesetzesänderungen vor der Justiz zu schützen. Die Vision der PSD sei „die eines Staates, der ausschließlich aufgrund von Vetternwirtschaft und Kungelei funktioniert“, zitiert die Allgemeine Deutsche Zeitung den Präsidenten. Die PSD habe „Inkompetenz zur Staatspolitik“ erhoben und „Kleingeistigkeit“ zur Voraussetzung für eine Verwaltungskarriere gemacht.

Einen ersten Durchbruch erzielte Johannis im Mai mit einem von ihm initiierten Antikorruptionsreferendum, an dem sich mehr als 41 Prozent der Wahlberechtigten beteiligten und über 80 Prozent gegen eine Lockerung des Strafrechts in Korruptionsfällen aussprachen. Der PSD-Spuk endete erst mit dem Haftantritt Dragneas und einem erfolgreichen Mißtrauensantrag gegen die von diesem eingesetzte Premierministerin Viorica Dancila Anfang Oktober.

Mit dem treuen Premier Ludovic Orban – Vater Ungar, Mutter Rumänin, seit 2017 Chef der Nationalliberalen (PNL) – könnte Johannis anfangen, zu gestalten, stünden nicht die Präsidentschafts- und nächstes Jahr Parlamentswahlen an. Kompliziert wird es auch deswegen bleiben, weil die Parteienlandschaft zersplittert und wechselnde Allianzen nur selten stabile Regierungsmehrheiten erlaubten. In seinem Kampf gegen die Korruption bleibt der wichtigste Verbündete des Präsidenten daher das Volk auf der Straße.

Rumänische Präsidentenkanzlei: www.presidency.ro