© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 46/19 / 08. November 2019

US-Vergeltungszölle für europäische Airbus-Subventionen
Transatlantische Blutrache
Dirk Meyer

Auge um Auge, Zoll um Strafzoll – die Sanktionen der 164 Mitglieder starken Welthandelsorganisation grenzen an archaisches Recht. Aufgrund unerlaubter Staatshilfen für Airbus hat die WTO den USA Vergeltungszölle in Höhe von fünf bis acht Milliarden Dollar auf Produkte aus den Airbus-Ländern Deutschland, Frankreich, Spanien und Großbritannien zugebilligt: zehn Prozent auf große Passagierjets und Flugzeugteile sowie 25 Prozent auf Agrar- und andere Güter. Bislang hat die US-Regierung dies nicht ausgeschöpft. So sind Flugzeugteile ausgenommen, was eine Airbus-Produktion made in USA begünstigen könnte.

Nach den WTO-Regeln sollen geförderte Produkte getroffen werden. Doch auf Donald Trumps Liste stehen auch Kaffee, Kekse, Spezialwerkzeuge, Solingen-Klingen, optische Linsen (Deutschland); Meeresfrüchte, Olivenöl, Schweinefleisch, Textilien (Spanien); Wein, Käse, Butter (Frankreich) sowie Whisky (Großbritannien). Nach Berechnungen des IfW Kiel könnten diese Handelsbehinderungen für die betroffenen Länder einen Rückgang des Bruttoinlandsproduktes von 0,05 bis 0,1 Prozent bewirken. Zudem wären Italien und Polen als unbeteiligte Drittstaaten durch gleiche Produkte und Lieferketten stark betroffen. Die EU erwägt deshalb Gegenzölle, die sie gemäß einem Urteil der WTO von 2002 in Höhe von vier Milliarden Dollar für unerlaubte Export-Steuervorteile von US-Firmen prinzipiell erheben dürfte. Zudem wird für 2020 eine Entscheidung zu den Boeing-Subventionen aus dem Jahr 2004 erwartet, die ähnliche Maßnahmen rechtfertigen dürfte. Entsprechende Pläne der EU umfassen wiederum Flugzeuge, Tomatenketchup, Wein, Reisekoffer, Spielekonsolen und Fahrradrahmen – allesamt Produktionen aus Trump-Hochburgen.

Gewinner wären China, Japan und Südkorea, die eine eigene Flugzeug­industrie aufbauen, sowie weltweit Kunden von Airbus und Boeing, die die Maschinen subventioniert und zu Preisnachlässen bekämen. Wie wären die WTO-Regularien zu ändern, um wohlstandsvernichtende Eskalationsspiralen zu vermeiden? Eine Strafe ist um so wirkungsvoller, je näher sie zeitlich am Vergehen liegt: Das Airbus-Verfahren dauerte 15 Jahre. Umgekehrt sollten erlaubte Gegenmaßnahmen nach kurzer Zeit verfallen – ein Rückgriff auf eine Entscheidung aus 2002 also unmöglich sein. Statt eines Gegenzolls sollte die jeweilige Regierung eine Zahlung in Höhe der ungerechtfertigten Förderung (alternativ: des Schadens) leisten müssen. Die Staatsfinanzen wären doppelt belastet, durch die Subvention und die Strafe. Entweder würden die Beträge an die benachteiligten Exportstaaten oder direkt an die Unternehmen gehen. Das Problem könnte in der Durchsetzbarkeit liegen, denn der WTO fehlen bislang erforderliche Befugnisse. Hier wäre anzusetzen.






Prof. Dr. Dirk Meyer lehrt Ökonomie an der Helmut-Schmidt-Universität Hamburg.