© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 46/19 / 08. November 2019

Die nächste Blase droht
Grüne Geldpolitik: Zentralbanken sollen sich künftig als „Klimafeuerwehr“ betätigen / Bundesbank verteidigt weiterhin Marktneutralität
Thomas Kirchner

Der jährliche Wanderzirkus der Weltklimakonferenzen (COP), die „Klimaziele“ der EU, der Hype um Greta und die Schulschwänzerbewegung „Fridays for Future“, Angela Merkels Klimakabinett, der „Green New Deal“ – es war abzusehen: Die Klimarettung macht selbst vor der Geldpolitik keinen Halt mehr. Es war nicht erst die Demo an Christine Lagardes erstem Arbeitstag an der Spitze der EZB, auf der 150 Klimabewegte nicht die Bankenrettung, sondern die der Erde forderten. Im Oktober blockierten „Extinction Rebellion“-Aktivisten die Straßenkreuzung vor der Bank of England. Dabei warnt der Londoner Zentralbankchef Gouverneur Mark Carney schon seit 2015 vor den Auswirkungen des Klimawandels auf die Finanzmärkte. Die EZB nennt den Klimawandel als Risikofaktor in ihrem Stabilitätsbericht.

Kauf grüner Anleihen und reduzierte Anforderungen

2017 gründeten überwiegend europäische Notenbanken ein Netz zur Vergrünung des Finanzsystems (NGFS). Die weltgrößte, die US-Fed, ist nicht unter den derzeit 46 Teilnehmern, die ihre eigenen Portfolios nach klimapolitischen Gesichtspunkten ausrichten wollen. Schwung kam in die Debatte um grüne Geldpolitik in diesem Sommer durch den britischen Historiker Adam Tooze, der in Foreign Policy Zentralbanken zum Kauf grüner Anleihen und reduzierten Kapitalanforderungen für Privatbanken bei grünen Investitionen aufforderte.

Auch die Bundesbank meldet sich zu Wort. Ihr Chef Jens Weidmann und Vorstandsmitglied Sabine Mauderer erteilten auf der zweiten Finanzmarktkonferenz einer „Klimafeuerwehr“ und der grünen Lockerung der Geldpolitik eine Absage. Beide sprachen sich für eine klare Rollentrennung zwischen Politik und Zentralbanken aus. Finanzregulierung sei kein Instrument der Klimapolitik. Weidmann verwies auf die Anforderung von Marktneutralität bei der Umsetzung des Anleihekaufprogramm der EZB, das sich an der Zusammensetzung des Anleihenmarktes ausrichtet. Mauderer, die im NGFS mitmischt, verwies darauf, daß die Bundesbank einige öffentliche Sondervermögen „nachhaltig“ verwalte.

Auf der anderen Seite der Debatte spielen Klimaaktivisten mit Finanzterminologie und Krisenängsten. Die befürchteten Risiken lägen in Versicherungsverlusten durch Extremwetterereignisse sowie „Haftungsrisiken“, wenn die größten Klimasünder auf Schadensersatz verklagt werden. Reserven der Öl- und Gasfirmen in Höhe von 28 Billionen Dollar würden wegen Dekarbonisierung wertlos und müßten abgeschrieben werden, was eine Finanzkrise auslösen würde – eine völlig unplausible Zahl, da der Gesamtwert aller Aktienmärkte derzeit etwa 70 Billionen Dollar beträgt. Unbestritten ist, daß gewaltige Investitionen notwendig wären, sollten die Klimaziele erreicht werden. Hinter der Kampagne der Klimaaktivisten steht die Einsicht, daß sich Investitionen dieser Größenordnung nur durch Manipulation des Bankensystems realisieren lassen.

Der Bundesbankchef argumentiert dagegen, daß Zentralbankkäufe Preise verzerren und Kosten einer Dekarbonisierung eine Verteilungsfrage sind, die von der Politik gelöst werden muß und nicht von einer nicht gewählten, technokratischen Zentralbank. Unterstützung erfährt er dabei durch Frankreichs Amtskollegen François Villeroy de Galhau, der zu bedenken gibt, daß massive Käufe grüner Anleihen diesen engen Markt verzerren würden. Denn es gibt kaum grüne Anleihen, sie repräsentieren nur rund zwei Prozent des Marktes.

Daß Finanzmarktregulierer durch Bevorzugung bestimmter Anleihen Märkte verzerren und Krisen verstärken können, sollte eigentlich die Lektion der Finanzkrise 2008 sein: der Hypothekenmarkt überhaupt erst so groß werden, weil die Kapitalanforderungen für Hypothekenanleihen bester Bonität Ende der 1990er Jahre in den USA gesenkt worden waren. Damals galt eine möglichst hohe Zahl von Eigenheimbesitzern als gesellschaftlich erstrebenswert, Bankenregulierung wurde dem untergeordnet. Als Reaktion darauf wurden Hypotheken so strukturiert, daß sie beste Bonität besaßen und unter die erleichterten Kapitalanforderungen fielen. Durch das im Überfluß verfügbare Kapital stiegen dann die Immobilienpreise auf Blasenniveau. Der Ausgang dieser Dynamik ist bekannt.

Einiges spricht dafür, daß grüne Geldpolitik und Bankenreguliereng ähnlich ablaufen könnte. Schon heute herrscht Mangel an grünen Anlagemöglichkeiten. Investitionen nach Umwelt-, Sozial- und verantwortungsvollen Kriterien (ESG) müssen schon heute, noch vor einer Zentralbankintervention, Kompromisse eingehen, um die Anlagegelder überhaupt investieren zu können.

Sollten Anlagekriterien der EZB oder Kapitalanforderungen der Privatbanken „grün“ aufgeweicht werden, gäbe es noch weitere Komplikationen. Grüne Technik ist im Umbruch, wie bei allen Technologiefirmen ist das Verlustrisiko sehr hoch. Selbst subventionierte Wind- und Solarparks haben hohe Ausfallrisiken, wie nicht nur Prokon-Anleger (JF 33/18) erleben mußten. Für Bankbilanzen ist dieser Sektor problematisch, noch dazu wenn wenig Eigenkapital gehalten werden muß. Doch die größte Gefahr grüner Zentralbankpolitik ist ein einseitiger Fokus auf Klimarisiken, durch den andere Risiken wie der demographischer Wandel vernachlässigt werden, die die langfristige Solvenz ganzer Staaten bedrohen.

„Zentralbanken als Klimafeuerwehr?“ – Reden bei der 2. Finanzmarktkonferenz der Deutschen Bundesbank:  www.bundesbank.de/