© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 46/19 / 08. November 2019

„Dann passen wir uns an und erhöhen die Deiche“
Forum Freiheit: Mitglieder der Hayek-Gesellschaft und ihre Gäste debattierten 30 Jahre nach dem Fall der Mauer die neue Lust am sozialistischen Untergang
Thomas Lackmann

Egal ob DDR, Kuba, Nordkorea, Sowjetunion oder Venezuela: Überall ist der Sozialismus grandios gescheitert. Doch vom Müllhaufen der Geschichte melden sich die „Brüder in Marx“ zurück. Daher luden unter dem Titel „1989 und die neue Lust am Untergang“ die Hayek-Stiftung und andere Freiheitsfreunde 30 Jahre nach dem Fall der Mauer zu einer Bestandsaufnahme ein. Stefan Kooths, der neue Vorsitzende der Friedrich-August-von-Hayek-Gesellschaft, erinnerte an den namensgebenden Wirtschaftsnobelpreisträger von 1974 und sprach über die „Lehren von 1989“ – untermalt mit Bildern von verkommenen Häusern und Straßenzügen aus dem Ost-Berlin der Vorwendezeit.

Unter der Leitung von Roger Köppel, Weltwoche-Verleger und SVP-Mitglied im Schweizer Nationalrat, wurden alte und neue Varianten des Antikapitalismus beleuchtet: Der Ex-Maoist, Historiker, Immobilieninvestor und libertäre Reichtumsforscher Rainer Zitelmann beobachtet Kapitalismuskritik auf der linken wie auf der rechten Seite des politischen Spektrums. Gerd Habermann von der Hayek-Stiftung analysiert den „Sozialsozialismus“ und kritisierte heftig das „bedingungslose Grundeinkommen“. Bertram Steiner schilderte die Enttäuschung vieler Zahnärzte in der Ex-DDR über das „planwirtschaftliche Gesundheitswesen“ des Westens.

Sascha Tamm vom Institut für unternehmerische Freiheit führte durch die Debatte über „Zentralismus und Sozialismus in der EU“. Der Soziologieprofessoer Erich Weede forderte ein Zusammengehen der Demokratien in Nordamerika mit der EU als starkes Gegengewicht zu China. Robert Nef, liberales Urgestein aus der Schweiz, sprach sich für weltweiten Freihandel als Instrument zur Friedenssicherung aus: Wenn den Chinesen viele Immobilien in New York gehörten, würden sie eine solche Stadt nicht bombardieren.

Weitere Aufweichungen des Haftungsprinzips

Joachim Starbatty analysierte den ruinösen Geldsozialismus der EZB. Die Einführung des Euro als politisches Projekt hätte nur das Ziel gehabt, die Bundesbank zu entmachten. Als Ex-EU-Parlamentarier beschrieb er die hocheffiziente Art der Franzosen, ihre politische Dominanz in Europa auszubauen. Von der neuen EZB-Chefin Christine La­garde hält der VWL-Professor wenig: Er warnte vor der Enteignung der Sparer, der Bankenunion und weiteren Aufweichungen des Haftungsprinzips.

Wo bleibe der Meinungswettbewerb in Zeiten politischer Korrektheit, fragte der Düsseldorfer Rechtsanwalt Carlos Gebauer im dritten und letzen Teil des diesjährigen „Forum Freiheit“. Und Thilo Sarrazin, seit seinem Erfolgsbuch „Deutschland schafft sich ab“ seinen SPD-Genossen ein Dorn im Auge, berichtete dazu aus der politisch-medialen Praxis. Der Ex-Bundesbank-Vorstand beschrieb dabei die intellektuelle Dürftigkeit der Begründung in dem Antrag, ihn aus der SPD auszuschließen.

Gerhard Papke, bis 2012 Chef der FDP-Fraktion in NRW, schilderte, wie es – wegen Kritik an der Masseneinwanderung 2015 und seiner Warnung vor dem Islamismus – zum Bruch mit Christian Lindner kam. Als Ungarn-Kenner empörte sich Papke über die schulmeisterliche Behandlung des freiheitsliebenden Volkes durch Brüssel und Berlin. Michael Limburg sezierte den realen „Klimasozialismus“. In einer freien und demokratischen Gesellschaft sei planwirtschaftliche Energiepolitik unrealisierbar. „Klimaschutz“ führe zwangsläufig zum Sozialismus, wo der Staat via Befehls- und Kommandowirtschaft die Produktionsfaktoren lenken könne.

Die „wichtigste Stimme der deutschen Klimaleugner“ (taz) zeigte auf, daß die Prognosen des „Club of Rome“ meilenweit von der späteren Entwicklung entfernt lagen. Auf die Frage von Gebauer, was denn wäre, wenn die Klimaschützer doch recht hätten mit ihrer Warnung vor CO2, entgegnete Limburg: „Dann passen wir uns an und erhöhen die Deiche.“ Nicht erklären konnte er aber das Phänomen, daß viele Superreiche und bekannte Spitzenmanager die Klimahysterie massiv finanziell unterstützen.

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