© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 46/19 / 08. November 2019

Abschiedsworte zum Tod von Günter Zehm

Sturheit als Charakterzug

Als Schüler, Student und angehender Lehrer kaufte ich in der Woche zweimal die Welt: am Montag und am Sonnabend. Am Montag, weil dann Günter Zehms Kolumne unter dem Pseudonym „Pankraz“ erschien, am Sonnabend, weil es dann die von ihm verantwortete Beilage „Geistige Welt“ mit Abhandlungen zu grundsätzlichen Fragen und Rezensionen gab. In einer Zeit, in der Schule und Hochschule schon weitgehend der linken Kulturrevolution zum Opfer gefallen waren, boten die Texte Zehms eine Art geistigen Samisdat. Und an jener imaginären Universität, an der ich mich eingeschrieben hatte, besaß er einen Lehrstuhl wie seine Kollegen Armin Mohler, Caspar von Schrenck-Notzing, Gerd-Klaus Kaltenbrunner, Hans-Joachim Schoeps, Erik von Kuehnelt-Leddihn. Als Jüngerer habe ich erst nach und nach die Biographien dieser Männer rekonstruiert, die verschlungenen Wege, die sie nach „rechts“ führten.

Bei Zehm war der Weg besonders eindrucksvoll, weil er als politischer Häftling in einem Zuchthaus der DDR gesessen hatte und vom Marxismus her kam. Zehm war sogar SED-Mitglied gewesen. Aber er kannte die Religion der Intellektuellen nicht nur in ihrer orthodoxen, staatssozialistischen Version, sondern auch in der häretischen oder modischen Gestalt, der er bei Ernst Bloch und dann im Westen bei Iring Fetscher und Theodor W. Adorno begegnete. Was Zehm als eigene Weltanschauung im Konflikt mit dieser Prägung entwickelt hat, war nicht einfach ein Dagegen, sondern eine Distanzierung unter bewußter Aufnahme der großen Ideen unserer Tradition.

Zehm hat in der philosophischen, theologischen, historischen Überlieferung vor allem die Möglichkeit gesehen, Maßstäbe auszubilden und eine souveräne Position zu beziehen, die es erlaubt, sich ein sachgerechtes Urteil zu bilden. Das fiel bei ihm oft scharf aus – Polemik lag ihm –, aber nie zynisch. „Die Hoffnung kennt kein Exil“, hat er einmal geschrieben: „Daß nicht alle Blütenträume reiften – die Welt bleibt deshalb in ihrem Insgesamt immer noch das höchst laborierende Laboratorium possibilis salutis und trägt an ihrem Giebel sehr sichtbar die Aufschrift ‘Per Aspera’.“

Zehm ist die „rauhen Wege“ gegangen. Er hätte es einfacher haben können, wenn er zur Anpassung oder zur Flucht ins Akademische bereit gewesen wäre. Aber daran hinderte ihn wohl nicht zuletzt die Sturheit als Charakterzug. Sie hat ihn wahrscheinlich auch dazu bestimmt, das Getümmel zu suchen. Wenn man ein Bild seiner Wirksamkeit gewinnen will, muß man deshalb seine Seitenbemerkungen und Kommentare zum Zeitgeschehen einbeziehen: die Attacke auf die Fernsehserie „Holocaust“, mit der eine neue Phase der Vergangenheitsbewältigung einsetzte, die Kritik an dem Schriftsteller Heinrich Böll, als der frischgebackene Nobelpreisträger überall gefeiert wurde, sein einsames Plädoyer für eine sachliche Beschäftigung mit den Ideen der „Nouvelle Droite“ oder das wunderbare Wort über die Aufständischen des 17. Juni, als von denen niemand mehr etwas wissen wollte: „Eine deutsche, eine reine Revolte“.

Karlheinz Weißmann





Überall zu Hause

Günter Zehm kannte alles, wußte alles, hatte alles gelesen: In der Poesie des Mittelalters war er so zu Hause wie in der Kunstgeschichte Italiens oder Spaniens, in der Belletristik des 19. Jahrhunderts wie in der Geschichte Habsburgs oder Englands. Seine Lust an Erkenntnis entsprang der Freude über die Weite des menschlichen Geistes, über die Vielfalt der Interessen und Ideen. Hier lag für ihn das Wunder der Schöpfung, und dieses Wunder spiegelte er jede Woche in seiner Kolumne!          

Nicolaus Fest





Gespräch unter Gleichen

In der letzten Zeit wird wieder darüber diskutiert, was genau denn bürgerlich sei, die Definition dieses schlichten Begriffs enthält offenbar unüberwindliche Schwierigkeiten. Leicht wird es dagegen, wenn man ein konkretes Beispiel für Bürgerlichkeit nennt. Günter Zehm war bürgerlich, was sonst? Altmodisch gebildet mit größter Neugier für das Allerneuste, formvollendet, gelassen, heiter, auch dort, wo er polemisch wurde, von jenem Liberalismus, den auch Goethe für sich in Anspruch nahm, wenn er sagte, ein echter Konservativer sei immer liberal. Freiheitsliebend wäre er auch gewesen, wenn er nicht die Erfahrung der Diktatur gemacht hätte. Ich stelle mir vor, daß er mit aller Kraft versuchte, die zeitgenössischen Tendenzen zur Einschränkung der Freiheit nicht wahrzunehmen – nie schrieb er schrill und empört, seine Stimme klang immer, als befinde er sich in dem gelassenen Gespräch unter Gleichen. Es gelang ihm das beinahe Unmögliche: ein Verteidiger des Common sense zu sein und zugleich von stets überraschender Originalität. Daß ein solcher Mann in eine Außenseiterposition geraten könnte, ohne sich ein Leben lang geändert zu haben, stellt seinen Zeitgenossen kein gutes Zeugnis aus. Ihn nicht mehr unter den Lebenden zu wissen, macht das Land ärmer. 

Martin Mosebach





Sieg über den Totalitarismus

Ich habe Herrn Zehm schon in den frühen siebziger Jahren erlebt, als er noch für die Welt schrieb. Er war vom gleichen Holz wie Axel Springer, Mat-thias Walden, Gerhard Löwenthal und der junge Peter Boenisch. Das war die Zeit, als Henry Kissinger sagte, daß in zehn Jahren die USA allein dastünden und ganz Europa kommunistisch sein würde. Es war in den Medien Westeuropas nicht einmal eine Hundertschaft von sprachmächtigen Intellektuellen, denen wir verdanken, daß der Westen diese Zeit gleichwohl durchgehalten hat, bis Gorbatschow kam. Günter Zehm war einer von ihnen. Später, in seiner Pankraz-Kolummne , gefiel es ihm, seine Stimme vermeintlichen Verlierern auf der demokratischen Rechten zu geben. Das läßt seinen großen publizistischen Anteil am Sieg über den Totalitarismus in Deutschland nicht in den Hintergrund treten. 

Dieser bedeutende Mann wird nicht vergessen werden.       

Peter Gauweiler





Vulkanisches Temperament

Das Telefon klingelt. Vorwahl Bonn? Neugierig nehme ich den Hörer ab. „Zehm am Apparat. Herr Hinz ---“ Und schon geht es los. Ein Wortschwall, ach was, ein Niagarafall aus Worten, syntaktisch tadellos aneinandergereiht, bricht über mich herein. Nach einer Minute rufe ich verzweifelt: „Herr Zehm, bitte, so schnell kann ich nicht zuhören, wie Sie reden!“ 

Er trägt Kritik vor, äußert Lob oder fragt nach der Quelle eines Bloch-Zitats, mit dem ich ihn geärgert habe. Er akzeptiert, daß ich über Schriftsteller aus der DDR, die er verrissen hat, milder urteile, weil die Begründung ihm einleuchtet. Sein Temperament ist vulkanisch, gleichzeitig ruht der Mann in sich. Er steht auf dem Fundament seines ungeheuren Wissens.

Ganz am Anfang war unser Verhältnis ein gespanntes, aus Gründen, die ich auf die eigene Kappe nehme und im übrigen längst vergessen sind. Als mir 2004 der erstmals vergebene Gerhard- Löwenthal-Preis verliehen wurde, hielt Günter Zehm die Laudatio.

Thorsten Hinz





Lautstark am Stammtisch

Ja, morgen ist wieder Stammtisch, wir haben eine Menge zu bekakeln.“ So lautete der telefonische Freitagsrundruf, der eigentlich überflüssig war, denn die Zusammenkunft funktionierte fast reibungslos über 20 Jahre. Immer samstags vormittags im Godesberger Cafe Insel. Und das hieß: zwei Stunden deutliche Aussprache. Zentralfigur der patriotischen Frühstücksrunde: Professor Günter Zehm, der Philosoph des gesunden Menschenverstandes, als der er zu Recht gerne apostrophiert wurde.

Bei der „Insel-Runde“ lange mit dabei: Ein Regierungsdirektor und Jurist aus dem Verkehrsministerium, der adelige – oft Zehm widersprechende – Mann vom Bundespresseamt, ein Oberst i. G. mit „Nahkampf-Erfahrung“ an der Medienfront, dann ein von Kollegen im Kölner Funkhaus als „Rechtsaußen“-Redakteur titulierter Journalist sowie ein ehemaliger Welt-Redakteur. Kürzlich stieß noch ein einst führendes Mitglied des Seeheimer Kreis zur illustren Runde, ein Berliner Sozialdemokrat der alten Schule, den „seine“ Partei längst verlassen hat.

Die Themenlage der Aussprachen war vielfältig: Geschichtspolitik mit massiver Kritik an deutscher Dauer-Vergangenheitsbewältigung, Analyse aktueller Medienkampagnen, Kopfschütteln über Kapriolen in der Innen- und Außenpolitik, Neuestes aus der alten und neuen Hauptstadt. Fast immer ging es hoch her in der Runde, vor allem wenn Zehm, cholerisch polternd, angesichts allgegenwärtiger Dauer-Fehlentwicklungen mit der Faust auf den Tisch schlug und dabei mit spitzer Stimme mehrfach aufschrie: „Es ist nicht zu fassen! Es ist nicht zu fassen!“ Manch entsetzte Blicke richteten sich ob der Lautstärke von den Nachbartischen dann zur Runde, was diese jedoch nicht störte. Kritik am neuesten Pankraz war durchaus erwünscht, Themen-Anregungen ebenso.

So ging es Jahr für Jahr, jeden Samstag. Nun hat sich Zehm, der liebenswürdige Philosoph und Menschenfreund, der am Stammtisch bisweilen kleine Einblicke in seine sensiblen Seiten gewährte, abgemeldet. Er wird nicht nur dem patriotischen Frühstückskreis am Rhein sehr fehlen.                    

Bernd Kallina





Den Zeigefinger gen Himmel

Was sind die schönsten Aufträge eines Fotografen? Wenn er auf die Bahn geschickt wird, in ferne Städte, um dort Koryphäen des Geistes aufzunehmen. Dies widerfuhr mir zum allerersten Mal im September 2000.

Mittags erreichte ich Bad Godesberg und traf Professor Zehm, vor dem ich gewarnt wurde. Er würde sich anfangs weigern, vor die Kamera zu treten. Ein gemeinsames Mittagessen mit lebhafter Diskussion verschaffte mir zunächst eine Atempause. Doch als ich die Kamera zum Vorschein brachte, ging der Tanz los. „Was das überhaupt soll, diese Schemenfängerei“, stieß der Professor hervor und wirbelte nervös mit den Armen, wie der Hauptdarsteller in einem Woody- Allen-Film. Ich blieb ruhig und brachte die Optik in Stellung. Die kaffeefarbene Tapete im Schlafzimmer gab den geeigneten Hintergrund zum weichen Licht durch die Gardinen. Langsam wich sein Widerstand. Spätestens als ich kundgab, Nietzsches „Über Wahrheit und Lüge im außermoralischen Sinne“ gelesen zu haben, war das Eis gebrochen und er ließ alles willig geschehen.

Damals noch mit Film bestückt, lag Sorgfalt über jeder Aufnahme. Später in der Dunkelkammer drehte ich eigenhändig die Filmschlange durch die Entwicklerdose und hob hernach die Bildbeute aus dem Entwicklerbad, die ich getrocknet der Redaktion sandte. Das war ein Zeitfresser, den ich heute wie einen Dinosaurier betrachte. Und so war auch der Herr Professor: einer der letzten Vertreter der Fröhlichen Wissenschaft, der zum Schluß den Zeigefinger zum Platonischen Gestus gen Himmel erhob.

Hagen Schnauß





Mutig und geistig unabhängig

Günter Zehm war ein in mehrfacher Hinsicht bemerkenswerter Mensch. Zum einen, weil er seine Tätigkeit als Philosoph und Denker erfolgreich mit einer journalistischen Laufbahn vereinbart hat – ein Spagat, der durchaus nicht jedem gelingt. Vor allem aber gehörte er zu den Menschen, die am eigenen Leib und am eigenen Geist erfahren mußten, daß die Meinungsfreiheit heute im Westen ebenso gefährdet ist wie früher im Osten. Er wurde von der Stasi kurz nach dem ungarischen Volksaufstand von 1956 festgenommen und verbrachte vier Jahre als Gefangener im Zuchthaus Waldheim. Später war er als Journalist bei der Welt und dem Rheinischen Merkur ständigen Anfeindungen und Einschüchterungskampagnen ausgesetzt. All diesen Zerreißproben begegnete er mit seinem unverkennbaren Lächeln. Mut und geistige Unabhängigkeit prägten seinen Charakter.

Der Tod von „Pankraz“, den ich bei mehreren Sommerfesten der JUNGEN FREIHEIT auch persönlich kennenlernen durfte (zudem habe ich einen Beitrag für die von der JF zu seinen Ehren veröffentlichte Festschrift „Über den Tag hinaus“ verfaßt), bedeutet einen schweren Verlust für die Ideenwelt. Die „Pankraz“-Kolumne wird sich schwerlich ersetzen lassen!                         

Alain de Benoist





Respekt vor dem Leben

Nun gilt es, das letzte Mal „Auf Wiedersehen“ zu sagen. Und das sage ich mit hoffnungsstarker Freude und in großer Dankbarkeit, denn als gläubiger katholischer Christ bin ich zutiefst davon überzeugt, daß es ein Leben nach dem Tod gibt. Beschwerdefrei. Enttäuschungsfrei. Leidensfrei. Insofern bete ich jetzt für Günter Zehm. Dabei werde ich dem allmächtigen Gott, zu dem er unterwegs sind, nicht verschweigen, daß jede Begegnung mit ihm für mich immer eine Gewinn war. Ob beim Rheinischen Merkur, wo wir uns vor Jahrzehnten erstmals trafen, oder auch später. Er war ein Künstler der Sprache, ein messerscharfer Analytiker, ein genauer Beobachter. Seine Fähigkeiten verband er mit einer faszinierend großen Bildung und einem sehr weiten Horizont des Denkens und Sehens. Er war, was heute leider selten zu werden droht, im besten Sinne des Wortes ein Original. Keine Kopie. Eine Persönlichkeit. Ein Philosoph. Klug. Weise. Punktgenau. Er hatte Respekt vor dem Wort, Respekt vor der Sprache. Respekt vor der Freiheit. Und vor dem Leben. Irgendwann werden wir uns, so Gott will, wiedersehen. Das ist eine gute und lichtvolle Perspektive.

Martin Lohmann





Ausgleichende Ungerechtigkeit

Wir telefonierten in den vergangenen zwanzig Jahren gelegentlich, mit einer Sympathie, die uns anfangs eher vom Zeitgeist nahegelegt worden war, als daß wir sie bewußt gesucht hätten. Eigentlich war er immer aufgeregt, atmete und sprach schnell, war neugierig, lebhaft am Augenblick teilnehmend. Das vor allem war es, was ich an ihm mochte, manchmal leise lächelnd. Über Jean-Paul Sartre hatte er seine Doktorarbeit geschrieben, etwas von diesem intellektuellen Habitus des „Engagierten“, der Dringlichkeit, des persönlichen Einsatzes, blieb Günter Zehm erhalten. Und dann war er eben von seinem ungemein starken Temperament her ein Zeitungsmann. 1970 erhielt er den Theodor-Wolff-Preis, auch Marie-Luise Scherer bekam ihn damals; es gab einmal Konstellationen, die uns inzwischen kaum mehr glaublich erscheinen. Aber heute kein Klagen oder Anklagen! 

Daß ich einmal entschiedene Sympathie für einen Dichter der Ultra-Avantgarde geäußert hatte, quittierte er mit milder Ironie: „Sie lieben die Stotterer“. Nicht einmal falsch gesehen, fast an Hellseherei grenzend, wie sie ja gerade bei Philosophen oft vorkommt! Er ließ meine Ansicht dann auch gelten und insistierte nicht weiter.

Daß er in einer seiner letzten Kolumnen für diese Zeitung (wie bewunderte ich ihn für seine über Jahrzehnte durchgehaltene disziplinierte Arbeit) über Knut Hamsun schrieb – noch einmal ergriff er den Augenblick, Norwegen war Gastland der Buchmesse – und dabei meinte, weder Kafka noch Proust, noch Joyce hätten diesem das Wasser reichen können, will darum auch ich als einen Akt ausgleichender Ungerechtigkeit gelten lassen.                        

Lorenz Jäger





Ernsthaft von den Sachen reden

Günter Zehm bewahrte sich zeit seines Lebens die Freiheit und den Mut, zu sagen, was er für richtig und angemessen hielt, um Ideen oder einen Sachverhalt einzuordnen, über sie im besten Sinne des Wortes aufzuklären. Er hielt an der Gewißheit fest: im Anfang war das Wort, das klärende und heilende, nicht aber das Schlagwort und das Geschwätz. Redensarten, die als schwer errungene  Gedanken ausgegeben wurden, konnten ihn rasch ungeduldig machen. Die aufgeblasene Trivialität, theoretische Gespreiztheit und anspruchsvolle Verworrenheit, die in Deutschland meist als Zeichen  nachdenklicher Unerschrockenheit gelten, reizten ihn zum Spott. Günter Zehm verkörperte einen Journalisten, wie ihn sich Hugo von Hofmannsthal einst für die Zukunft als neuen Typus erhoffte: den kulturellen Journalisten. Dieser folgt nicht, wie gewohnt, seinen Stimmungen und Eindrücken, sondern rückt als philosophischer Kopf, ohne pedantisch zu werden, alle ihn beschäftigenden Angelegenheiten, für die er das Interesse der Leser gewinnen möchte, in nicht immer leicht zu übersehende Zusammenhänge  und unterrichtet auf diese Weise mit Takt und Diskretion. 

Günter Zehm war einer der letzten Vertreter dieses kulturellen Journalisten, die ernsthaft von den Sachen redeten, und nicht davon säuseln, was sie mit ihnen machen.           

Eberhard Straub





Triathlet des Geistes

Ein gebildeter Mann wie Günter Zehm wußte, als er 1975 seine Kolumne unter dem nom de plume „Pankraz“ in der Welt startete, daß „Pankraz“ mit „der alles Beherrschende“ zu übersetzen sei und daß der „Pankration“ der griechische Allkampf war – ein Mix aus Box- und Ringkampf, bei dem, außer Kratzen und Beißen, alles erlaubt war. Zehm mochte auch an den heiligen Pankratius denken, der als 14jähriger während der Christenverfolgung unter Kaiser Diokletian 305 hingerichtet wurde – eine eher sanftmütige Gestalt, doch immerhin der Schützer des Eides und der Rächer des Meineides.

Letztlich ausschlaggebend war „Pankraz der Schmoller“ aus Gottfried Kellers Novelle des gleichen Titels. Er gibt zum guten Schluß sein Schmollen gegen die Welt auf. Zehm ging kämpfend und sie deshalb bejahend in diese Welt hinein, kompromißlos, doch mit Humor, und vor allem, sich nicht über ihre Bösartigkeit täuschend: ausdauernd. Er leistete eine 45jährige, sich wöchentlich erneuernde Anstrengung, die auch vor der kritischen Betrachtung der eigenen Position nicht Halt machte – ein erstaunlicher Triathlet des Geistes. Solange wir leben, sollten wir auch kämpfen – dieses insgeheime Motto Zehms ist zu beherzigen.       

Günter Maschke