© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 46/19 / 08. November 2019

CD-Kritik: Robert Schumann, Christian Gerhaher
Matthes Rät(h)sel
Jens Knorr

Man muß den Text des Liedes „Räthsel“, das achte des Zyklus „Myrthen“ Op. 25, in der originalen Schreibung der Übersetzung Karl Ludwig Kannegießers lesen, um seine Lösung zu finden. Christian Gerhaher weist in einem gescheiten Aufsatz auf den Symbolgehalt des einfachen Buchstabens „h“ und des zweifachen „e“ in der Komposition hin, denn um die vorweggenommene „Ehe“, um verdeckte und angetragene Erwartungen des Bräutigams an die Braut, geht es in diesem Brautkranz, geflochten aus 26 Gedichten von neun Autoren.

Für das zweite Album seines „Herzens-

projekts“, einer Gesamtaufnahme der Lieder Robert Schumanns, stand dem Bariton neben seinem langjährigen Pianisten Gerold Huber die schwedische Sopranistin Camilla Stilling zur Seite. Ihre Stimme hat helle Naivität, deren Timbre in Momenten an Lucia Popp erinnert. Aber Tilling singt wenig imaginativ, und der Hörer wünschte sich ein ums andere Mal, daß von seiner Überartikulation ein wenig auf sie abgefärbt hätte. Im Streben nach Ökonomie der Mittel überschreitet Gerhaher zuweilen die Grenze zu Kargheit bis Kärglichkeit des Ausdrucks.

Das hört sich an, als zitiere ein langjähriges Ehepaar verlorene Leidenschaften aus einem einstmals prachtvoll eingebundenen, jetzt ausgeblichenen Band, den er ihr am Polterabend überreicht hatte, damals, 1840. 

Robert Schumann Myrthen Sony Classical 2019 www.gerhaher.de