© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 46/19 / 08. November 2019

Knapp daneben
Schläfriger Mittelstand
Karl Heinzen

Armando Garcia Schmidt ist seit 2001 für die Bertelsmann-Stiftung tätig. Die Ehrenbezeichnung des Senior Project Manager hat er sich daher allein schon durch seine lange Stehzeit redlich verdient. Von Anfang an durfte er die Ära Merkel als Angehöriger jener Institution begleiten, die man für ihren Stichwortgeber hält. Nun jedoch neigt sich diese schöne blattgoldene Zeit ihrem Ende zu, und die Zukunftserwartungen sind wenig rosig. Schuld daran hat offenbar, so meint jedenfalls Armando Garcia Schmidt, die Wirtschaft. „Made in Germany“ drohe sich vom Verkaufsschlager in einen Ladenhüter zu verwandeln. „Zu viele Unternehmen stolpern in die Zukunft, anstatt mit einer offenen Innovationskultur voranzugehen.“ Stützen kann er seinen Pessimismus auf die Studie „Innovative Milieus“, die auf Veranlassung der Bertelsmann-Stiftung von IW Consult, den Auftragsforschern des Instituts der deutschen Wirtschaft, erstellt worden ist. 

Die Wirtschaftpolitik unter Gerhard Schröder wußte noch, daß man die Kleinen vergessen kann.

Ihr zufolge lassen sich zwar immer noch 25 Prozent der deutschen Firmen als Technologieführer oder wenigstens „disruptive Innovatoren“ ansehen. Man findet sie vor allem in den Branchen Pharma, Chemie, Metall und Elektro. 46 Prozent der Unternehmen ruhen sich jedoch auf ihren Lorbeeren aus. Das kann bei all dem vielen globalen Wettbewerb nicht lange gutgehen. Besonders schläfrig sind kleine und mittlere Unternehmen, die dennoch als das angebliche Markenzeichen der Wirtschaftsweltmacht Deutschland kultische Verehrung genießen. Ihren Heiligenschein sollte man ihnen nehmen. Es ist nicht allein Kapitalmangel, der den Mittelstand auf Tradition statt auf Disruption setzen läßt. Nicht selten kommen Risikoscheu und intellektuelle Unbeweglichkeit hinzu. Sollte der Staat ihnen, wie von der Studie vorgeschlagen, mit Forschungsförderungsprogrammen unter die Arme greifen, dürfte dies daher wirkungslos verpuffen. Die Wirtschaftspolitik unter Gerhard Schröder wußte noch, daß man die Kleinen vergessen kann und ganz auf Großunternehmen setzen muß. Daran wird man im schwarz-grün-dunkelroten Schulterschluß nach Merkel anzuknüpfen haben.