© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 47/19 / 15. November 2019

Ländersache: Schleswig-Holstein
An der Förde für das Leben
Paul Leonhard

Der Stadtrat von Flensburg hatte dem Neubau eines Zentralkrankenhauses am Stadtrand bereits vor zwei Jahren zugestimmt, das eigentlich Wegweisende daran aber offenbar übersehen. Denn sonst wäre Oberbürgermeisterin Simone Lange (SPD) wohl nicht gerade jetzt erst aufgegangen, daß es bei dem Modellversuch eines ökumenisch geführten Krankenhauses – dem ersten in Deutschland – aus ihrer Sicht einen gewaltigen Haken gibt: Wenn künftig die evangelisch-lutherische Diakonissenanstalt (Diako) und das katholische St. Franziskus-Hospital zu einem neuen Haus zusammengeführt werden, sieht Lange das Selbstbestimmungsrecht von Frauen in Gefahr. 

Konkret geht es um die unterschiedlichen Auffassungen der beiden großen Kirchen zum ungeborenen Leben. Und hier gibt es für den katholischen Malteser-Orden keinerlei Kompromisse. Am neuen Krankenhaus wird es keine Schwangerschaftsabbrüche geben: „Das ist eine ethisch-moralische, grundsätzliche Position der katholischen Kirche und war daher nicht verhandelbar“, sagt Klaus Deitmaring, Geschäftsführer des St. Franziskus-Hospitals. Abtreibungen würden nur vorgenommen, wenn sie „medizinisch indiziert“ sind, also beispielsweise Lebensgefahr für die Frau besteht.

Diesem Grundsatzbeschluß hat sich die Diakonie gebeugt, die sich aktuell massivem Druck ausgesetzt sieht. Nicht nur Lange fordert, Abtreibungen müßten generell durchgeführt werden, „auch bei Frauen aus unserer Kirche“, wie Diako-Leiter Pastor Wolfgang Boten gegenüber dem Deutschlandfunk betont. Aber man habe eben diesen Kompromiß eingehen müssen, „um dieses Krankenhaus zu ermöglichen“. Auch habe es 2018 lediglich 24 derartige Eingriffe am Diakonissenkrankenhaus gegeben, in der Region Flensburg rund 170. Überdies würden Abtreibungen „grundsätzlich nicht in den Versorgungsauftrag eines Krankenhauses“ gehören.

Diese Position vertritt auch Sozialminister Heiner Garg (FDP). Eine Klinik könne nicht zur Vornahme von Schwangerschaftsabbrüchen gezwungen werden, und im konkreten Fall sei von Beginn an klar gewesen, daß diese „niemals auf die Zustimmung eines katholischen Krankenhauses stoßen werden“. Inzwischen hat der Sozialausschuß Garg aufgefordert, „Gespräche mit dem Ziel zu führen, mit allen Akteuren vor Ort die medizinische Versorgung bei Schwangerschaftsabbrüchen in der Region Flensburg auch nach der Fertigstellung des Zentralklinikums“ sicherzustellen. Garg zeigt sich optimistisch, denn Abtreibungen könnten künftig die in der Region Flensburg niedergelassenen Frauenärzte vornehmen.

Parallel dazu mobilisieren die jeweiligen Lobbygruppen. „Hätte Papst Pius IX. im Jahre 1869 nicht zu Ehren der ‘Heiligen Jungfrau Maria’ die ‘Simultanbeseelung’ zur verbindlichen ‘Glaubenswahrheit’ erhoben, müßten wir heutzutage nicht so ein Buhei um das Thema Schwangerschaftsabbruch machen“, findet Ingo Eitelbach von der Regionalgruppe Schleswig-Holstein der Giordano-Bruno-Stiftung. Die Initiative „Ärzte in Ehrfurcht vor dem Leben“ argumentiert dagegen auf Twitter, die Haltung des neuen Klinikums sei ethisch konsequent: „Schwangerschaft ist keine Krankheit, die abtreibungsbedürfig ist.“