© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 47/19 / 15. November 2019

Schöner Wohnen in Connewitz
Linksextremismus: Nach Jahren des Hätschelns erschrickt Sachsens Politik über die Gewalt der Szene
Martina Meckelein

Das war ein Fehler – ein großer Fehler. Am Abend des 3. November, einem Sonntag, klingelt es an der Wohnungstür einer Immobilienmaklerin. Arglos öffnet die junge Frau die Tür. In dem Moment stürmen zwei Vermummte in die Wohnung, schlagen die Maklerin zusammen. Die Fäuste hämmern auf ihr Gesicht. Ein brutaler und in seiner Feigheit typischer Überfall von Linksextremisten. Sie verabschieden sich mit den Worten: „Grüße aus Connewitz“. Drei Stunden später feiern sich die Täter im Internet, auf der noch immer nicht verbotenen Seite „indymedia“, sie kippen kübelweise Häme über ihr verletztes Opfer und schwafeln dabei von Feminismus. 

Doch diesmal sind die selbsternannten revolutionären Kämpfer für eine sozialistische Welt, in der sie einzig das Eigentum der anderen unter sich aufteilen wollen, zu weit gegangen. Molotowcocktails und Pflastersteine auf Einzelhändler, Polizisten und Feuerwehrmänner – bei all der linksextremistischen Gewalt schauten Leipzigs Politiker jahrelang weg. Der jüngste Angriff auf die wehrlose Frau in ihrer eigenen Wohnung läßt die Stimmung im Rathaus jedoch kippen. Schließlich ist am 2. Februar 2020 Oberbürgermeisterwahl. 

Auf Baustellen brennen immer wieder Kräne

Donnerstag, 16 Uhr, das Neue Rathaus in Leipzig. Im Festsaal beginnt die Ratssitzung, der Plenarsaal wird gerade umgebaut. Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD) wird später erwartet. Der amerikanische Außenminister ist zu Besuch, zu seiner Sicherheit ist die Innenstadt abgesperrt. Um 18 Uhr betritt Jung den Saal. Jetzt geht es um den Überfall auf die junge Frau. Jung sagt, er fühle sich an die Zeiten der RAF erinnert. Er lobt die neugegründete Sonderkommission gegen Linksextremismus (siehe Kasten) und fühle sich bestätigt in seiner jahrelangen Forderung nach mehr Polizeipräsenz in Leipzig. 

CDU-Fraktionschef Michael Weickert hält ihm entgegen, daß er doch jahrelang linke Gewalt verharmlost habe. Weickert spielt darauf an, daß Jung an seinem Geburtstag, am 7. März 2016, mit Linksautonomen während der Verhandlungen über die Besetzungen der ehemaligen Führerscheinstelle gemeinsam mit ihnen eine Geburtstagstorte medienwirksam anschnitt. Laut Leipziger Volkszeitung (LVZ) sprach er damals davon, daß die Motive der Autonomen „sehr ehrenwert“ seien.

Juliane Nagel sitzt abweisend an ihrem Tisch im Rathaus. Sie ist Stadträtin der Linkspartei und seit 2014 Landtagsabgeordnete. Nagels Stadtbüro ist in der Brandstraße 15, hier befindet sich auch das Büro von „linXXnet“. Am 13. Oktober brannte in derselben Straße ein Baustellenbagger ab. Nach Eigendarstellung ist das „linXXnet“ unter anderem ein: Wohnzimmer für unterschiedliche Politgruppen, Internetcafe, Politreklametafel. Im August 2018 hing dort in einem Fenster ein „Fahndungsaufruf“: „Die abgebildeten Personen stehen im dringenden Verdacht, während der Proteste gegen den G20-Gipfel in Hamburg schwerste Straftaten begangen zu haben.“ Zu sehen waren unter anderem, so die LVZ, der seinerzeitige Erste Bürgermeister von Hamburg, Olaf Scholz, und sein Innensenator Andy Grote (beide SPD). Auf Nachfrage der LVZ distanzierte sich Nagel damals von dem Transparent.

Und wie sieht es nun aus, in der Linken-Hochburg? „Um Gottes willen“, rät ein Malermeister, der gerade ein Graffiti von einer roten Ziegelmauer abspritzt, „sagen Sie bloß nicht, daß sie Journalistin sind, in drei Sekunden werden sie hier umzingelt von den Linken. Da können Sie froh sein, wenn die sie nur anpöbeln.“ Zweimal in der Woche wird der Maler zu Objekten in Connewitz gerufen. Farb- und Teerbeutel-Flecke, teils spritzen die Linken mit umgebauten Feuerlöschern die Wände voll. „Heute ist Freitag, ich garantiere Ihnen, am Montag ist hier wieder alles vollgeschmiert.“

 Connewitz ist knapp 7,4 Quadratkilometer groß, 2018 lebten hier 18.989 Menschen. Wie die Stadtverwaltung der JUNGEN FREIHEIT mitteilt, lag „die Anzahl der Personen in Bedarfsgemeinschaften der Grundsicherung für Arbeitssuchende bei 1.680.“ Der Stadtteil wurde 1891 nach Leipzig eingemeindet, seine Straßen säumen heute beliebte Jahrhundertwendehäuser. Einige Meter weiter, Richtung Connewitzer Kreuz: Ein Bagger steht auf einem Sandhügel. Kein Firmenschild, kein Ansprechpartner, keine Telefonnummer – nur ein Warnschild: „Alarmgesichert“.

Kein Wunder. Allein im Oktober griffen die mutmaßlich linksextremen Täter fünf Baustellen an. Schaden: über 20 Millionen Euro. Außerdem Angriffe mit Brandsätzen und Steinen auf Polizisten und Feuerwehrmänner. Die Linksextremisten drohen im Internet künftigen Mietern und Käufern dieser Häuser. Angeblich geht es nur darum, bezahlbaren Wohnraum zu erhalten. Das Pflaster der Bornaischen Straße ist übersät mit Glassplittern, überall liegen riesige Hundehaufen. Die Fallrohre der Häuser sind bis unters Dach mit Antifa-Stickern beklebt. Die von den Linken besetzten Häuser sind heruntergekommen. 

„Ich wohne im betreuten Wohnen, Apotheke, Ärzte und Supermärkte sind nah – für mich ist das ideal“, sagt eine ältere Dame auf die Frage, wie es sich denn hier lebe. „Aber schauen Sie sich um: Vollgeschmierte und zugeklebte Fensterscheiben, kleine Geschäfte schließen. Auf die Fensterscheiben eines Lokals wurde geschossen – der Wirt will sie nicht reparieren. Zu teuer, hat er mir gesagt. Sobald die heil sind, schießen die wieder drauf.“ Ein junger, schlaksiger Mann schlendert vorbei. Schwarze Hose, schwarzer Kapuzenpulli und lila Stoffbeutel. Als er an einem gelben Briefkasten vorbeigeht, klebt er schnell einen Antifa-Aufkleber dran: Darauf ein kleines vermummtes Mädchen, das einen brennenden Molotowcocktail in der Wurfhand hält.

 Wozu die Linksradikalen fähig sind, weiß Christian Kriegel. Dem Fraktionsgeschäftsführer der AfD im Stadtrat wurde das Auto mit Bauschaum zerstört. „Hier aus unserer Fraktion wurde schon jeder Abgeordnete bedroht oder es wurden ihm Hausfassaden beschmiert.“ Kriegel glaubt, daß der Kern der linksradikalen Straftäter in den beiden Kulturzentren „Werk II“ und „Conne Island“ (JF 21/18) ihren Rückzugsraum haben. Durch den Überfall vom 3. November und auch die Brandschatzungen an Baukränen im Monat zuvor sind sie wieder in den Fokus der Kritiker geraten. Beide Einrichtungen bekommen insgesamt 400.000 Euro Fördermittel jährlich, bestätigte die Stadtverwaltung gegenüber der JF.

Über 20 Angriffe auf eine Polizeistation seit 2014

Die Zahl der gewaltbereiten Linksextremisten in Leipzig steigt. Sachsens Innenminister Roland Wöller (CDU) schätzt ihre Stärke auf aktuell 250 Personen. Seit Mai 2018 werden mehr Polizeikräfte in Leipzig eingesetzt. In der Wiedebach-Passage in Connewitz ist die Polizeistation untergebracht. Sie wurde schon über zwanzigmal angegriffen, einmal sogar gestürmt. „Die ganze linke Szene ist ein Resultat des ehemaligen Polizeipräsidenten Bernd Merbitz, der jahrelang auf dem linken Auge blind war“, meint ein Lokalreporter im Gespräch mit der jungen freiheit. 

100.000 Euro Belohnung hat die Polizei jetzt zur Ergreifung der Täter ausgelobt. Die Linksextremen rufen derweil im Internet dazu auf: „Maul halten!“





Sonderkommission „LinX“

Nach wiederholten Anschlägen in Leipzig hat Sachsens Innenminister Roland Wöller (CDU) den Aufbau einer Sonderkommission Linksextremismus angekündigt. „Wir werden ab 1. Dezember eine ‘Soko LinX` einrichten.“ Demnach werden künftig 20 Beamte alle linksextremen Straftaten in Leipzig verfolgen. Die neue Sonderkommission soll so den Druck auf die Szene erhöhen. Justizminister Sebastian Gemkow (CDU) ergänzte, künftig würden insgesamt vier Staatsanwälte mit der Leipziger Polizei eng zusammenarbeiten, um schnelle Entscheidungen der Ermittler zu gewährleisten. Der Vorsitzende der AfD-Fraktion im Dresdner Landtag, Jörg Urban, kritisierte die Maßnahmen als unzureichend. Laut Statistik stieg in Sachsen die Anzahl von Straftaten mutmaßlicher Linksextremisten von 222 im Jahr 2018 auf 305 im laufenden Jahr. Darunter seien 42 Gewalttaten.