© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 47/19 / 15. November 2019

Olaf Scholz‘ Kapitulation bei der europäischen Einlagensicherung
Undemokratischer Vorstoß
Joachim Starbatty

Eine „Europäische Einlagensicherung“ soll Banken der Eurozone, die in Schieflagen geraten sind, vor dem Bankrott bewahren. Damit die Sparer eines Landes nicht ihre Einlagen verlieren, sollen die Sparer anderer Euro-Länder einspringen. Diejenigen, die ihr Geld bei deutschen Banken, Sparkassen oder Genossenschaftsbanken angelegt haben, stehen für Fehler ausländischer Banken gerade. Nichts anderes bedeutet dieses Projekt. Die Bundesregierung hat deshalb hinhaltend taktiert: Sie wolle die Einlagensicherung erst dann einführen, wenn mehr Risiken in den Bankbilanzen anderer Euroländer abgebaut worden seien. Der Anteil notleidender Kredite beträgt bei den Banken in Italien 12,2 Prozent, in Portugal 15,5 und in Griechenland 46,9 Prozent – in Deutschland nur 2,7 Prozent.

Nun prescht Finanzminister Olaf Scholz vor. Der SPD-Vorsitzkandidat will mit den Verhandlungen beginnen, ohne daß diese Risiken ausgeräumt sind. Das soll parallel laufen. Er verkauft das als Rückversicherung, in Wahrheit ist es eine Versicherung auf Gegenseitigkeit. Als Anwalt für Arbeitsrecht ist er nicht vom Fach, Scholz hört auf Jakob von Weizsäcker, den er sich als Chefvolkswirt aus dem EU-Parlament geholt hat. Dort setzte sich der SPDler für die Vergemeinschaftung von Risiken in der Eurozone ein, um den fragilen Euro abzusichern. Letztlich steckt also sein Abteilungsleiter für Grundsatzfragen hinter diesem Vorstoß. Scholz hat sich weder mit dem Bundeskabinett abgestimmt, noch den Bundestag einbezogen. Was er macht, hat mit Demokratie nichts zu tun. Er setzt sich auch über Sparkassen und Volksbanken hinweg, die sich als unsere Treuhänder gegen die Enteignung wehren.

 Die Erfahrungen bei der Euro-Einführung 1999 sind ein Warnzeichen: Griechenland und Italien haben sich den Eintritt in die Währungsunion durch Statistiktricks und Einmalaktionen erschlichen und anschließend ihre eingegangenen Verpflichtungen ignoriert. Aktuell zeigt Italien, daß es sich auch um früher abgegebene Haushaltssanierungsversprechen nicht schert. Warum sollte das bei der Europäischen Einlagensicherung anders sein?

Das auf deutsche Finanzinstitute begrenzte Einlagensicherungssystem hat sich bewährt. Soll es wirklich auf dem Brüsseler Altar für „Mehr Europa“ geopfert werden? Dabei macht eine Europäische Einlagensicherung die Währungsunion nicht stabiler – im Gegenteil. Es ist eine Alltagserfahrung: Niemand fühlt sich verantwortlich, wenn alle verantwortlich sind. Ist eine Bank für sich selbst verantwortlich, wird sie die Risiken sorgfältiger abwägen, als wenn die Verluste auf alle beteiligten Banken umgelegt werden können. Volkswirte sprechen von „moral hazard“. Im Volksmund heißt es: „Wenn andere die Zeche zahlen, trinkt man gerne einen über den Durst.“






Prof. Dr. Joachim Starbatty ist Ökonom und war Abgeordneter des EU-Parlaments.