© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 47/19 / 15. November 2019

Neue linke Traumfabrik
Von der Anti-AfD-Serie bis zur Obama-Produktion: Netflix paßt sich dem linksliberalen Zeitgeist an
Boris T. Kaiser

Die Filmindustrie in Hollywood und die meisten US-Fernsehsender sind schon lange auf einem strammen Linkskurs. Spätestens seit dem Amtsantritt von Donald Trump schwenkt mit dem Streamingdienst Netflix auch die neue Garde der Unterhaltungsindustrie immer mehr auf die Einheitslinie der alten, vermeintlich progressiven Kultur- und Entertainment-Elite ein. Einst mit interessanten neuen Plot- und Charakterzeichnungen zu internationalem Erfolg gekommen, versucht das Internetunternehmen mittlerweile zunehmend seine Zuschauer politisch korrekt zu erziehen. 

Aktuell ist gleich eine ganze Serie gegen die AfD angelaufen. In „Wir sind die Welle“ – einem verdrehten Remake des Antifaschismus-Klassikers „Die Welle“ – blasen die fiktionalen Charaktere förmlich zum Kampf gegen die Rechtspopulisten. Nicht mit kleinen Anspielungen, sondern so platt und überdeutlich, daß man fast glauben könnte, die Landtagswahl in Thüringen und der darauffolgende mediale Dauerbeschuß der Partei sei Teil einer großen PR-Kampagne für die Produktion gewesen. Der Name NfD, Parteilogo und nur unwesentlich abgeänderte Originalzitate von Politikern lassen keinen Zweifel, wer hier als das ultimative Böse an die Wand gemalt werden soll. Dem gegenüber stehen die Helden der Erzählung: eine Gruppe idealistischer Schüler um ihren Anführer und Schulneuling Tristan, die fest entschloßen ist, den „Nazis“ Einhalt zu gebieten. 

Antifa-Argumentation übernommen

Aber nicht nur ihnen. Alles, was nicht dem Weltbild der zu Rebellen stilisierten linken Jugendlichen entspricht, wird mit Aktionen angegriffen. SUVs, Schlachthäuser, Waffenhändler, Großkonzerne und natürlich der Kapitalismus an sich: Alles darf von den Guten mit allen Mitteln, von Brandanschlägen über Entführungen bis hin zur handfesten Gewalt gegen Menschen, bekämpft werden. Wobei die Gewalt der linken Idealisten natürlich grundsätzlich Gegengewalt, Notwehr oder bitter nötiger Widerstand ist. Nicht nur gegen die jungen „Rechten“, die sich an jeder Straßenecke tummeln, um Linke und Muslime zu terrorisieren. Wer darauf hofft, daß die Macher diese radikale Form des Idealismus in den sechs Folgen glaubhaft als Irrweg entlarven, wird bitter enttäuscht. Vielmehr sind alle Kritiker des linksgrünen Gedankenguts und der 68er-Ideologie, die Buh-Männer der Geschichte. Linksextremismus als Popkultur im Mainstream. 

Netflix wird mehr und mehr zu einem weiteren Haussender der Demokratischen Partei in Amerika und des bundesrepublikanischen wie globalen linksliberalen Establishments. Die Doku „Frischer Wind im Kongreß“, die Netflix für zehn Millionen US-Dollar gekauft hat, porträtiert gleich vier Abgeordnete der Demokraten, ohne einen Republikaner vorzustellen. Darunter die Sozialistin Alexandria Ocasio-Cortez, den Shootingstar der amerikanischen Linken.Barack und Michelle Obama haben im vergangenen Jahr einen mehrjährigen Kooperationsvertrag mit dem Streamingdienst unterschrieben. Der Ex-Präsident und seine Frau sollen mit ihrer Firma, „Higher Ground Productions“, für Netflix Dokumentationen, Filme und Serien liefern. Das erste gemeinsame Projekt war der Film „American Factory“. Die Doku erzählt von chinesischen Investoren, der Globalisierung, Dumpinglöhnen und Gewerkschaftskämpfen. Hier ist das Glamour-Paar der Demokraten ganz und gar in seinem Element. Auf Instagram schrieb Obama über die Ziele von Hi­gher Ground: „Teil des Projektes ist es, zu versuchen, die Welt ein klein bißchen besser zu machen für unsere Kinder und Enkel.“ Schon als Präsident war Obama stets ein Mann der großen und vor allem der warmen Worte für die Arbeiterklasse. Wirklich getan hat er allerdings wenig für die amerikanischen Arbeiter und gegen die negativen Aspekte der Globalisierung. 

Ganz im Gegensatz zu seinem Nachfolger Donald Trump. Über diesen dürfen die Obamas für Netflix eine Serie drehen. Vorlage ist das Buch „Erhöhtes Risiko“, in dem der Publizist Michael Lewis über 200 Seiten lang über Trumps angeblich völlig unvorbereiteten und stümperhaften Amtsantritt herzieht. Die Polit-Reihe dürfte also in etwa so neutral und ausgewogen werden wie ein durchschnittlicher Sendetag des öffentlich-rechtlichen Fernsehens in Deutschland. 

Dessen Produktionen werden übrigens auf US-Streamingdiensten regelmäßig recycelt. So läuft auf Netflix zum Beispiel „Familie Braun“. Eine Serie über zwei Neonazis, die sich um ein schwarzes Kind kümmern müssen. Eine Produktion, für die der Zuschauer eigentlich bereits über seinen Rundfunkbetrag gezahlt hat und die in der ZDF-Mediathek frei zur Verfügung steht.

Rassismus ist ein immer wiederkehrendes Motiv auf Netflix. „Homecoming“, eine Dokumentation von und über die Popsängerin und Demokraten-Wahlhelferin Beyoncé, wird als Meilenstein für die schwarze Bewegung gefeiert. 

Von der deutschen Filmförderung profitiert

Im Film „In the Shadow of the Moon“ reist eine schwarze Frau in die Vergangenheit, um dort durch die Ermordung von überwiegend weißen Männern die Entstehung einer rassistischen Ideologie zu verhindern. Sie begeht quasi antirassistische Rassenmorde an allen, die im Lauf der Geschichte irgendwie zu der Entstehung einer rassistischen Bewegung beitragen könnten. Der Film ist, wie das meiste bei Netflix, handwerklich gut gemacht und wirft durchaus interessante philosophische Fragen auf. Viele dieser Gedankenspiele laufen allerdings auf genau jene Argumentation hinaus, mit Antifa-Schlägertrupps ihre Attacken auf politisch Andersdenkende rechtfertigen.

Auch außerhalb seines Geschäftsbereiches geben sich die Köpfe hinter dem Unterhaltungsriesen ziemlich links. So drohte Netflix-Vorstandsvorsitzender Ted Sarandos mit einer Klage gegen das neue Abtreibungsgesetz im US-Bundesstaat Georgia, wonach Abtreibung illegal werden soll, sobald der erste Herzschlag des Fötus wahrnehmbar ist. Das Unternehmen dreht viele seiner Filme und Serien in Georgia und genießt dort beachtliche Steuervorteile. 

In Deutschland konnte Netflix kürzlich einen juristischen Sieg erringen. Die Serie „Skylines“ darf weiter gezeigt werden. Sie erzählt die Geschichte des fiktiven Hiphop-Plattenlabels „Skyline Records“, das einen Rapper mit Hilfe von Geldern aus kriminellen Geschäften in den Musikolymp hieven will. Der Inhaber einer realen Plattenfirma mit demselben Namen sah seinen Ruf gefährdet. Seine Unterlassungsklage wurde vom Frankfurter Landgericht zurückgewiesen. Der zeitgeistigen, urbanen Multikulti-Dramaserie steht also nichts mehr im Wege. 

Netflix hat gleichzeitig sein Deutschlandgeschäft ausgebaut und in Berlin eine Geschäftsstelle eröffnet. Seit Anfang September ist Wolf Osthaus Director Public Policy für Deutschland, Österreich und die Schweiz. Die Position bei der in der Hauptstadt ansässigen Netflix Services Germany GmbH wurde neu geschaffen. Osthaus Aufgabe: die Beziehungen zur Politik und zu den Medienaufsichtsbehörden ausbauen. 2020 sollen drei deutsche Netflix-Eigenproduktionen in Spielfilmlänge und die dritte Staffel der deutschen Mystery-Serie „Dark“ (JF 50/17) anlaufen.

Schon jetzt profitiert der Konzern von der deutschen Filmförderung. Laut der Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage des FDP-Bundestagsabgeordneten Otto Fricke flossen allein bis Mitte Oktober etwa 11,3 Millionen Euro an fünf Netflix-Produktionen und ein Amazon-Projekt – 68 Prozent der gesamten Fördersumme.