Eigentlich wollte ich das Fahrrad nur mal begutachten, das sich mein Großer auf dem Trödelmarkt gekauft hat. Jetzt sitze ich drauf und es rollt mit mir die Straße entlang. Es mögen 20 Jahre her sein, daß ich das letzte Mal Rad gefahren bin. 

Panik an der ersten Kreuzung, das Mountainbike hat keinen Rücktritt. Ich schalte ein bißchen die Gänge hoch und runter. Auf einer engen Straße kommt mir ein Polizeiauto entgegen. Da fällt mir auf, daß das Rad kein Licht hat und ich keinen Ausweis dabeihabe. Und wenn der ertrödelte Drahtesel geklaut war?, sinniere ich. Aber für die Ordnungshüter bin ich nur ein normaler Radfahrer.

Die Halbwüchsigen finden cool, daß der Vater beruflich um die Welt jettet.

Wenig später fahre ich vor dem Kleingarten einer Bekannten vor. Die staunt nicht schlecht, als ich klingle: „Du fährst Fahrrad?“ „Der Umwelt zuliebe“, entfährt es mir. Ein mißtrauischer Blick trifft mich. Zehn Minuten später sitzen wir bei einem süßen Kaffee in der Hand auf der Bank vor dem Gartenhäuschen. Der Ertrag dieses Jahr sei durchwachsen gewesen. Der Pflaumenbaum habe keine Früchte getragen, die Birne sei eingegangen, die Brombeeren seien verdorrt, erzählt die Bekannte. Klimawandel eben, vielleicht aber lecke die alte Gasleitung, die unter dem Grundstück verläuft.

Ob ihre Töchter noch für den Klimaschutz demonstrieren, will ich wissen. „Nein, zu langweilig.“ Sie würden wieder fechten und ihren Gitarrenkurs besuchen. Außerdem sei der Vater der Kinder ein Leugner des vom Menschen gemachten Klimawandels, jette beruflich als Wissenschaftler rund um die Welt, und das würden die Halbwüchsigen cool finden.

Vorsichtig erkundige ich mich nach den Eltern der Bekannten. Ach, die seien unbelehrbar, hätten erneut CDU gewählt, auf die in Sachsen offenbar alle Rentner abonniert sind, die einst keine strammen Genossen waren. Ich brummle was von Kanzlerbonus und daß ich jetzt wieder fahren müsse. „Morgen hast du bestimmt Muskelkater“, meint die Bekannte.