© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 48/19 / 22. November 2019

Die Iden des Merz sind vertagt
Parteitag II: Allen Gerüchten zum Trotz wird in Leipzig nicht gegen die CDU-Chefin geputscht / Sachanträge haben Konfliktpotential / Mitglieder murren
Werner Becker

Nein, an diesem Wochenende wird sich kein „Showdown“ abspielen, wenn die CDU zum Bundesparteitag in Leipzig zusammenkommt. Annegret Kramp-Karrenbauer wird nicht den Verzicht auf eine mögliche Kanzlerkandidatur verkünden, und Friedrich Merz wird in seiner Rede vor den 1.001 Delegierten weder „AKK“ noch Bundeskanzlerin Angela Merkel zum Rücktritt auffordern. Die Wahl Silvia Brehers (JF 47/19) zur stellvertretenden Bundesvorsitzenden und Nachfolgerin der aus dem Amt scheidenden Ursula von der Leyen wird geräuschlos über die Bühne gehen, und im Plenum wird man die Rede der Parteichefin mit kräftigem Applaus goutieren. Und den Antrag der Jungen Union, den nächsten Kanzlerkandidaten per Urwahl zu bestimmen, wird eine Mehrheit des Parteitags mit großer Wahrscheinlichkeit ablehnen. 

Soviel zu den Gewißheiten. Wer nun aber glaubt, in der Union herrsche eitel Sonnenschein, liegt weit daneben. Hinter den Kulissen bereitet man sich längst auf die eigentliche Machtprobe vor: Für das Jahr 2020, wenn der Kanzlerkandidat nominiert und der Parteivorstand neu gewählt werden muß. Dabei würden viele in der Union einen Wechsel von Merkel zu Merz schon lieber heute als morgen sehen. Auch in der Bundestagsfraktion wünscht sich eine nennenswerte Zahl Abgeordneter hinter vorgehaltener Hand mehrheitlich eine erlösende Verzichtserklärung von AKK zugunsten von Merz für die Kanzlerkandidatur. Genau das aber lasse Merkel nicht zu. Die Macht des Kanzleramts sei einfach zu stark, heißt es aus der Fraktion. Andererseits sind die Signale von der Basis für den früheren Fraktionsvorsitzenden Merz zu deutlich, als daß es sich die Parteiverantwortlichen leisten könnten, deren Rufe auf Dauer zu ignorieren. 

Führung will Blamage bei Frauenquote vermeiden

In Leipzig werden es die Sachanträge sein, die an Stelle der Kanzlerfrage in den Fokus treten. Zwei davon dürften besonders interessant werden. Den Antrag zur Einführung einer Frauenquote möchte die Parteiführung am liebsten von der Tagesordnung nehmen und zunächst in einer Satzungskommission beraten. Ein bemerkenswerter Vorgang. Folgt man dieser Logik, so dürften kaum noch Satzungsänderungsanträge auf Parteitagen beraten werden.

Auch die Junge Union stört sich an dieser Vorgehensweise, will dafür plädieren, daß über den Antrag gleich abgestimmt wird. Der Hintergrund: Die Parteiführung fürchtet eine mögliche Abstimmungsniederlage, nachdem schon die CSU-Führung auf ihrem Münchner Parteitag Ende Oktober ein aus ihrer Sicht ähnliches Fiasko erlebt hatte. Daher kommt auch der Frauen-Union als Urheber des Antrags eine Verweisung durchaus gelegen. 

Zudem könnte der von der Werte-Union initiierte Antrag auf Ausschluß des chinesischen Technologiekonzerns Huawei bei der Vergabe zum Ausbau des künftigen 5G-Netzes in Deutschland Angela Merkel in Verlegenheit bringen. Die Kanzlerin ist fest entschlossen, das von der kommunistischen Partei Chinas kontrollierte Unternehmen für die Vergabe zuzulassen und ihm damit den Zugriff auf die sensible digitale Infrastruktur in Deutschland zu ermöglichen. Zwar beteuert die Parteiführung, diesen Zugriff durch Prüfungen und hohe Sicherheitsstandards vermeiden zu können. Westliche Nachrichtendienste sowie deutsche Sicherheitsexperten haben aber bereits erhebliche Bedenken artikuliert. Bedenken, die so mancher Delegierte teilen dürfte. 

Apropos Werte-Union: Für eine Gruppe, die sich als „alleiniger Lordsiegelbewahrer der Werte“ geriere, sei kein Platz in der CDU, schimpfte Ex-Generalsekretär Petert Tauber nun in einem Gastbeitrag für Welt Online. Und bescherte der Werte-Union kurz vor dem Parteitag vermehrt Beitrittserklärungen.