© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 48/19 / 22. November 2019

Widerspruch der Woche
Und ich flieg, flieg, flieg …
Christian Vollradt

Spätestens seit der in den dreißiger Jahren entwickelten Widerspruchsthese des Philosophen Ernst Bloch haben sich viele kluge Köpfe denselben über die „Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen“ zermartert. Ein aktuelles praktisches Beispiel für dieses Phänomen liefert die Berliner Politik. Da stimmte der Bundestag gerade auf Antrag der Regierung für eine Erhöhung der Luftverkehrssteuer. Damit sollen die Bürger zum klimafreundlichen Handeln ermuntert werden – mit dem Ziel, „den Ausstoß von klimaschädlichen Treibhausgasen zu verringern“. Die bisherige „Bepreisung des Luftverkehrs“, so heißt es, bilde dessen Umweltschädlichkeit nicht genug ab und habe „zu keiner nennenswerten nachhaltigen Veränderung der Wachstumsraten beim Passagieraufkommen und damit der Gesamtzahl der Flugbewegungen“ geführt. Fliegen wird damit zum 1. April 2020 teurer. Der Bundesrat, in dem neun von 16 Landesregierungen mit grünem Koalitionspartner vertreten sind, fordert daraufhin, die Bundesregierung solle sich darum bemühen, „mehr internationale Verkehrsrechte für die mittleren deutschen Luftverkehrsstandorte zu realisieren“, sprich: mehr Flugverbindungen einrichten. Im Klartext: Weil die Deutschen weniger fliegen sollen, müssen mehr Flüge angeboten werden. Nur gut, daß Ernst Bloch („Das Prinzip Hoffnung“) dies nicht mehr miterleben muß.