© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 48/19 / 22. November 2019

Geradewegs in die Abhängigkeit
Printkrise: Haushaltsausschuß beschließt Subventionen für Zeitungsverleger
Ronald Berthold

Ab kommendem Jahr müssen die Steuerzahler die deutschen Zeitungsverlage subventionieren. Das hat der Haushaltsausschuß des Bundestags beschlossen. Zunächst sollen als „erster Impuls“ 40 Millionen Euro fließen. Die öffentliche Hand springt ein, weil die Einnahmen aus verkauften Exemplaren und Werbeerlösen drastisch zurückgehen. Fast ausnahmslos brechen die Auflagen der Tageszeitungen ein.

Die Bundesregierung versucht nun, die Branche zu retten. Union und SPD haben eine Vorlage von Bundarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) in den Ausschuß eingebracht. Dort winkten die Abgeordneten der Großen Koalition die Maßnahme durch. „Eine solche Förderung ist hoch notwendig“, sagte SPD-Medienexperte Martin Rabanus. Es gehe darum, „die Medienvielfalt in unserem Land zu sichern“.

Allerdings ist diese Subvention mindestens genauso pikant. Bisher betonen die Redaktionen stets ihre Unabhängigkeit vom Staat. Dies dürfte nun schwieriger werden, auch wenn Politik und Zeitungen einen Trick anwenden: Um den Eindruck der Staatsferne der Presse aufrechtzuerhalten, subventioniert die Regierung den Vertrieb. Doch dies stellt nicht nur indirekt eine Förderung des Journalismus dar. Denn Zustellung und redaktionelle Arbeit bezahlen die Verlage letztlich aus derselben Tasche.

Bis zu 645 Millionen könnten fällig werden

Die Subventionen erhalten Tageszeitungen und Anzeigenblätter, die in den meisten Fällen aus einem Haus kommen. Ziel sei es, so die Große Koalition, die flächendeckende Versorgung mit Abo-Zeitungen und Anzeigenblättern zu unterstützen. Bis zur Vorlage eines Gesamtkonzepts durch Heils Arbeitsministerium soll die Summe allerdings gesperrt bleiben. Das Konzept ist bereits in Arbeit und soll die Subvention auf fünf Jahre begrenzen. Endgültig entscheidet der Bundestag Ende November über die Pläne.

Möglicherweise wird bis dahin auch noch an der Subventionsschraube gedreht. Denn die Verleger sind mit der bisherigen Höhe unzufrieden. Sie fordern insgesamt 645 Millionen Euro. Für ihre mißliche Lage machen sie weniger die in Scharen davonlaufenden Kunden, sondern vor allem die Einführung des Mindestlohns verantwortlich. Für Zeitungszusteller gilt der allerdings erst seit dem vergangenen Jahr. Die neue Bezahlung verursache laut Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger (BDZV) Mehrkosten von 400 Millionen Euro. Insgesamt bringen diese meist geringfügig Beschäftigten täglich rund zehn Millionen Zeitungen zu den Abonnenten.

BDZV-Hauptgeschäftsführer Dietmar Wolff ist empört: „Eine so geringe Förderung löst kein einziges Problem.“ Die Fördersumme entspreche pro ausgetragenem Exemplar weniger als einem Cent. Doch die Vertriebskosten liegen laut Wolff bei 52 Cent. 

Die SPD, selbst Inhaber eines der größten Zeitungsverlage und beteiligt an vielen anderen Tageszeitungen (JF 8/19), beruhigt. Es sei schwer, sagt ihr medienpolitischer Sprecher Rabanus, schon im nächsten Jahr alle Wünsche der Verleger zu erfüllen. Daher sei die Subvention nur ein „erster Impuls“. Im Klartext: Der Steuerzahler soll die Zeitungen weit höher bezuschussen. Er spricht von einem „dreistelligen Millionenbetrag“.

Seiner Partei gehören über ihre 100prozentige Tochter DDVG zahlreiche unabhängig erscheinende Verlage und Medienkonzerne, ohne daß die SPD im Impressum genannt wird. Über den Madsack-Konzern (u.a. Hannoversche Allgemeine Zeitung, Leipziger Volkszeitung, Ostseezeitung) ist sie auch am Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) beteiligt. Diese Zentralredaktion beliefert bundesweit knapp 50 Zeitungen auch mit politischen Texten. Dem Subventionsbeschluß vorausgegangen waren Schreiben von Verlegern an die Bundestagsabgeordneten, in denen sie die Unterstützung forderten. Auch früher spinnefeinde Blätter wie Süddeutsche Zeitung und Münchner Merkur taten sich dafür zusammen. Sie verwiesen darauf, daß „auch in anderen europäischen Ländern“ die Pressezustellung gefördert werde. Der Verleger der in Mainz erscheinenden Allgemeinen Zeitung weiß dennoch, wie brisant die Angelegenheit politisch ist. Er weist darauf hin, daß eine solche Förderung „höchstwahrscheinlich“ als staatliche Beihilfe gelten und damit einer Prüfungspflicht unterliegen würde. In Dänemark sei das jedoch kein Problem gewesen.

Genaugenommen ist das Millionen-Paket bereits die zweite Subvention für die Medienhäuser. Zuletzt senkte die Politik den Mehrwertsteuersatz für digitale Verlagsprodukte.

Bei einer anderen politisch zumindest gedeckten Zuwendung an Medien, dem Rundfunkbeitrag für die öffentlich-rechtlichen Sender, hat die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten aktuell eine Erhöhung der Abgabe um 86 Cent auf 18,36 Euro pro Monat ab 2021 empfohlen.