© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 48/19 / 22. November 2019

Knapp daneben
Haßmetropole Rheidt
Karl Heinzen

Der Sankt Martin des rheinischen Örtchens Rheidt ist in diesem Jahr zum letzten Mal seinem Zug vorangeritten. Fast wäre der Eklat, den er verursacht hat, unbemerkt geblieben. Dann jedoch wagte sich eine beherzte Frau an die Öffentlichkeit und gab bekannt, was ihrer Schwägerin, einer Moslemin, und deren drei Kindern an diesem besagten Abend widerfahren ist. „Sankt Martin ist ein christliches Fest“, soll der Delinquent bei der Ausgabe der Weckmänner geäußert haben, und er sagte es zudem auch noch derart laut und bestimmt, daß alle, die dem Propheten und nicht dem Heiland die Treue halten, es als brüske Ausgrenzung verstehen mußten. Ob die Aussage tatsächlich so gemeint war, ist nicht bekannt. Für eine Distanzierung ist dies aber auch nicht erforderlich. Eine solche wurde unterdessen von allen erklärt, die in irgendeiner Weise als mitverantwortlich identifiziert werden könnten, weil sie es versäumt hatten, sich zuvor von der Unbedenklichkeit ihres Sankt Martins zu überzeugen. 

Die Öffentlichkeit muß vor Sankt-Martin-Haßpredigern wirkungsvoller geschützt werden.

Distanziert haben sich der Ortsring als Veranstalter des Zuges, ein Beigeordneter, der seinen Namen wieder einmal in der Zeitung lesen wollte, und der kommunale Jugendhilfeausschuß. Da sich auch der Kinderschutzbund mahnend in die Debatte eingeschaltet hat, müssen die Kleinen, die an diesem Abend ihre selbstgebastelten Laternen voller Unschuld singend vor sich hertrugen, in einem Ausmaß gefährdet gewesen sein, das noch gar nicht ganz ausgelotet ist. Will man die Öffentlichkeit in Zukunft vor diesem Sankt-Martin-Haßprediger schützen, darf seine Identität nicht länger im Verborgenen bleiben. Angeblich kannte ihn niemand persönlich, angeblich war er nur gegen Honorar engagiert worden, angeblich wohnt er nicht einmal in der näheren Umgebung. Dies alles erscheint wenig glaubwürdig. Es ist zwar unwahrscheinlich, daß sich die örtlichen Honoratioren schützend vor einen Rassisten stellen. Sie wollen aber offenkundig durch ihre Verschleierungstaktik verhindern, daß sich Rheidt als die rheinische Schwester der Haßmetropole Chemnitz im Gedächtnis der Menschen festsetzt. Dies dürfen wir nicht zulassen.