© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 49/19 / 29. November 2019

Ländersache: Thüringen
Da ist der Worm drin
Jörg Kürschner

Der erzwungene Burgfrieden des CDU-Bundesparteitags währte keine 48 Stunden, da brachen die innerparteilichen Konflikte im thüringischen Landesverband offen aus. Der mit mäßigem Ergebnis wiedergewählte Fraktionschef Mike Mohring zog die Konsequenzen aus der bitteren Wahlniederlage und verzichtete auf eine Kandidatur für das Ministerpräsidentenamt. Bei der Wahl am 27. Oktober hatte die CDU fast 12 Prozentpunkte verloren und kam nur noch auf den dritten Platz – hinter der AfD. Stärkste Partei wurde die Linke, die seit 2014 mit Bodo Ramelow den Regierungschef im Freistaat stellt. Er will sich erst im Februar zur Wiederwahl stellen. „Alle Parteien haben sich bis dahin sortiert.“ Allerdings hat die rot-rot-grüne Regierung, die seit der konstituierenden Sitzung des Landtages am vergangenen Dienstag nur noch geschäftsführend im Amt ist, keine Mehrheit mehr.

Ob Ramelows landesväterliche Feststellung auch für die CDU gilt, muß bezweifelt werden. Mohrings Schlingerkurs hat die in Thüringen jahrzehntelang unangefochtene Regierungspartei in einen Richtungsstreit getrieben. Unmittelbar nach der Wahlschlappe bestand er „aus Verantwortung für das Land“ auf Gesprächen mit Ramelow und verärgerte damit die Bundesspitze. Doch bald stellte sich heraus, daß die ganze Aufregung über ein mögliches Bündnis mit den SED-Nachfolgern überflüssig war. Ein offizielles Gespräch Mohring/Ramelow ist bis heute an Protokollfragen gescheitert. Was nicht bedeutet, daß man sich aus dem Weg geht. Während der zehnjährigen Jubiläumsfeier des Meinungsforschungsinstituts Insa in Erfurt begrüßten sich die beiden Antipoden freundlich und wechselten einige Worte.

Die Begegnung in zwangloser Atmosphäre kann freilich nicht darüber hinweg täuschen, daß Mohrings Taktieren zu einem heftigen Richtungsstreit in der Landespartei geführt hat. Ein Kreis konservativer Mandatsträger um den wiedergewählten CDU-Fraktionsvize Michael Heym warnte mit Blick auf die AfD davor, ein Viertel der Wähler auszugrenzen. AfD-Fraktionschef Björn Höcke schlug derweil CDU und FDP vergeblich eine gemeinsam getragene Expertenregierung oder eine von der AfD unterstützte Minderheitsregierung vor. Alle drei Parteien haben zusammen im Parlament eine Mehrheit. Deutlicher Unmut schlug Mohring aus der Jungen Union (JU) wegen der von ihm ins Gespräch gebrachten Minderheitskoalition aus CDU, SPD und FDP entgegen. „Mit Platz drei haben wir keinen Regierungsauftrag bekommen“, stellte CDU-Landesvize Mario Voigt auf dem JU-Kongreß klar.

Auch personell läuft es für Mohring schlecht. Als künftige Landtagsvizepräsidentin hatte er der Fraktion Beate Meißner vorgeschlagen, gewählt wurde aber Henry Worm, der bis zum Mauerfall 1989 der DDR-Staatspartei SED angehört hat. Meißner warf Mohring anschließend fehlende Kollegialität und Unehrlichkeit vor, da dieser sich nicht ausreichend für sie eingesetzt habe. Worm wurde ebenso wie die Kandidaten der SPD, Grünen und FDP zu neuen Vizepräsidenten gewählt. Die AfD-Bewerberin Tosca Kniese scheiterte, obwohl – wie im Bundestag – jeder Fraktion ein Posten im Landtagspräsidium zusteht. Neue Präsidentin ist Birgit Keller (Linke), die in der SED einst für Agitation und Propaganda zuständig war.