© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 49/19 / 29. November 2019

Geklatsche statt Klatsche
CDU-Parteitag: Mit einer Vertrauensfrage erkauft sich Annegret Kramp-Karrenbauer Rückendeckung
Hinrich Rohbohm

Da ist es wieder. Unmittelbar vor Beginn des CDU-Bundesparteitages in Leipzig tauchte es vor der Messehalle wieder auf. Das „C“ der CDU. Genaugenommen war es der Partei aber schon länger abhanden gekommen. Nach einer Ära von fast 20 Jahren Angela Merkel sind es gerade die christlichen Werte, die die Union immer stärker vernachlässigt hatte. Doch der bärtige Mann vor dem Messeeingang, der durch ein Loch im „C“ herauslugt, will auf etwas anderes aufmerksam machen. Er will die Union beim Klimaschutz vorführen. Und tatsächlich läßt sich die Partei nach dem Desaster mit dem Rezo-Video ein weiteres Mal hereinlegen, wenngleich sie dieses Mal souveräner reagiert als noch vor wenigen Monaten. 

Glaubt man Insidern des Konrad-Adenauer-Hauses, so ereignete sich einen Tag vor Parteitagsbeginn erneut eine peinliche Panne. Greenpeace-Anhänger hatten sich auf der CDU-Bundesgeschäftsstelle gemeldet und erzählt, sie hätten den Auftrag, das „C“ nach Leipzig zu bringen. Die Parteizentrale gab demnach grünes Licht. Erst viel später sollte ihren Mitarbeitern selbst ein Licht aufgehen.

Ein Loch im „C“ der Union, aus dem ein Öko-Aktivist herausblickt. Symbolträchtiger könnte man den aktuellen Zustand der Union kaum beschreiben. Eine Serie verlorener Landtagswahlen, eine ausgelaugte große Koalition, deren Zusammenhalt zum reinen Selbstzweck verkommt. Ein sich nach 14 Jahren Angela Merkel als Bundeskanzlerin abzeichnender politischer und wirtschaftlicher Niedergang Deutschlands als Folge einer Weiter-so-Philosophie, die das Land zunehmend lähmt. Ein desolater Zustand, der auch dazu führte, daß zahlreiche Medien mehr in den von der Tagesordnung her unspektakulären Parteitag hineininterpretierten, als zu erwarten war. Von einem Putsch war die Rede. Einem Aufstand rund um Friedrich Merz gegen die Parteivorsitzende. Doch warum sollte er? Weder standen Wahlen auf dem Programm, noch die Nominierung eines Kanzlerkandidaten. Merz war somit klug beraten, sein Pulver nicht frühzeitig zu verschießen und sich „loyal“ zu geben. 

Es war somit die Chance der Inhalte, der neuen Ideen. Doch was wird zur Botschaft des Parteitags? Weiter so. „Wenn ihr der Meinung seid, daß dieses Deutschland, so wie ich es möchte, nicht das Deutschland ist, das ihr euch vorstellt, wenn ihr der Meinung seid, daß dieser Weg, den ich gemeinsam mit euch gehen möchte, nicht der Weg ist, den ihr für den richtigen haltet, dann laßt es uns heute aussprechen. Dann laßt es uns heute beenden. Hier und jetzt und heute“, rief die Parteivorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer den 1.001 Delegierten zu. Eine Machtfrage. Gestellt, obwohl es doch noch um nichts ging. Das läßt tief blicken. Die Reaktion: Starker Applaus. Klatschen, Klatschen, Klatschen. Am Ende ihrer Rede sieben Minuten lang. „AKK“ verschafft sich Luft. Denn auch jene, die eigentlich nicht klatschen wollten, klatschen. Doch wofür eigentlich? Für „Weiter so?“

„Es sind und es waren 14 gute Jahre für Deutschland, darauf können wir alle stolz sein“, huldigt Kramp-Karrenbauer in ihrer Rede der Bundeskanzlerin. Wieder Klatschen. Im weiteren Verlauf dann aber der entlarvende Widerspruch zur Huldigung: „Ich habe die Nase voll davon, daß wir die Langsamsten in Europa sind.“ Und: „Es kann uns passieren, daß wir in zehn Jahren abgehängt sind.“

Die wohl derzeit drängendsten Probleme, wie die Migrationskrise, die Energiekrise oder die nach wie vor nicht bewältigte Euro-Krise blendete sie ganz aus. Vielmehr war es ein Bemühen, es allen Delegierten und Funktionären recht zu machen, möglichst nirgendwo anzuecken. Mit Erfolg. Denn trotz desolaten Zustandes der Union mit Umfragewerten von derzeit weit unter 30 Prozent ist Kritik am Kurs der Parteiführung unter den Delegierten Mangelware. Der Antrag der Jungen Union zur Urwahl des Kanzlerkandidaten? Abgelehnt. Fast 80 Prozent der Delegierten sprechen sich gegen ihn aus. Vergeblich versuchte der junge Bundestagsabgeordnete Philipp Amthor, ihn zumindest in die Satzungskommission zu verweisen. Auch das verwehrte die Mutterpartei ihrem Nachwuchs. 

„Einflußnahme durch    fremden Staat ausschließen“

Ganz im Gegensatz zur Frauen Union, die für sich eine verbindliche Quote bei Kandidaturen für Ämter und Mandate einfordert. „Wenn man wirklich zusammenführen statt ausgrenzen will, dann hätte man auch diesen Antrag zumindest mit an die Satzungskommission verweisen müssen“, kritisiert ein Delegierter gegenüber der JF, daß die Parteiführung offenbar mit zweierlei Maß messe. 

Auch beim Thema Huawei blieb es friedlich. Es ist jedoch der Antrag, bei dem Angela Merkel ihre einzige Niederlage einstecken muß. Denn ursprünglich wollte die Kanzlerin, daß die Bundesregierung bei der Vergabe des 5G-Netzausbaus allein entscheidet. Mit der sehr wahrscheinlichen Folge, daß der chinesische Technologiekonzern Huawei den Zuschlag erhalten hätte. 

Ein Initiativantrag von Norbert Röttgen, Vorsitzender des Auswärtigen Aussschusses, machte dem Vorhaben einen Strich durch die Rechnung. Der Kompromiß: Mit dem 5G-Netzausbau wird sich nun der Bundestag befassen. Vorher dürfen keine Tatsachen geschaffen werden. Eine Maßnahme, die Merkel ursprünglich unter allen Umständen verhindern wollte. Der Teilerfolg der Kanzlerin dabei: Huawei wird nicht explizit ausgeschlossen. Jedoch heißt es in dem Antrag weiter, daß sichergestellt sein müsse, „daß eine Einflußnahme durch einen fremden Staat auf unsere 5G-Infrastruktur ausgeschlossen ist“. 

Im Vorfeld des Parteitags hatte die Kanzlerin noch angekündigt, einen möglichen 5G-Netzausbau durch Huawei auch gegen einen CDU-Parteitagsbeschluß weiter vorantreiben zu wollen. Das dürfte ihr bei dieser Formulierung nun weitaus schwerer fallen.