© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 49/19 / 29. November 2019

Weimar: Mahnende Erinnerung an schlechte konservative Traditionen
Kirche gegen Kino
(dg)

Im Jahr des 100. Geburtstages der Weimarer Republik meint Katharina Kunter ein „neues öffentliches Interesse“ an ihr spüren zu können. Es richte sich im Urteil der Frankfurter Kirchenhistorikerin mehr noch als auf die Politik auf die Kultur des ersten deutschen Demokratieversuchs (zeitzeichen, 6/2019). Mit dem Artikel 142 der Weimarer Reichsverfassung, der die Freiheit von Kunst, Wissenschaft und ihrer Lehre garantierte, „begann ein frischer Wind in Gesellschaft und Kultur Deutschlands zu wehen“. Nur leider habe es „radikalen Kräften links und rechts“ nicht gefallen, sich damit anzufreunden. Dazu zählt Kunter auch pauschal „den deutschen Protestantismus“. Dessen bildungsbürgerlicher Kulturbegriff machte Front gegen die Demokratisierung von Kunst und Kultur. Ein Widerstand, der sich besonders kraß im Kampf „Kirche gegen Kino“ zeigte. Denn mit der Gründung der Republik begannen die „goldenen Jahre des deutschen Films“, nicht nur kommerziell. Künstlerisch seien mit expressionistischen Meisterwerken wie Fritz Langs „Metropolis“ und Friedrich Wilhelm Murnaus „Nosferatu“ Filme von „Weltniveau“ entstanden, die die „Ängste und Ruhelosigkeit“ der „bunten und frivolen“ Weimarer Moderne widerspiegeln. Protestantische Kritiker hätten darauf nur mit kulturpessimistischen „Stereotypen und Feindbildern“ reagiert. Hundert Jahre später tue der deutsche Protestantismus daher gut daran, sich dieser unseligen „konservativen Tradition“ zu erinnern, die zur Anfälligkeit der Evangelischen Kirche für die NS-Ideologie ebenso beitrug wie sie jene Distanz geschaffen habe, in der sie noch lange gegenüber Bonner Republik und Demokratie verharrte. 


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