© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 49/19 / 29. November 2019

Dilettantendiagnosen
Grüne doktern an der Naturregion Schlei herum
Dieter Menke

Das schleswig-holsteinische Umweltministerium, seit 2012 in grüner Hand, ist derart mit Lobbyarbeit für die Windkraft (laut BUND: „Arbeitspferd der Energiewende“) beschäftigt (JF 22/19), daß wenig Zeit für anderes bleibt. Deswegen begnügte sich der dem Landtag vorgelegte ministerielle Bericht über den „schlechten ökologischen Zustand“ der Schlei, einer 40 Kilometer ins Land führenden, in Schleswig endenden Ostseeförde, mit 17 Seiten. Die mit atemberaubender Dürftigkeit die Lage des Gewässers, das Teil des EU-Schutzgebietssystems „Natura 2000“ ist, auf die gestanzte Formel von der hohen Nährstoffbelastung brachte.

Die Ökolobby ist für Fakten taub

Nicht gerade originell, da seit Jahrzehnten landwirtschaftliche Einträge von Stickstoff und Phosphor für den Sauerstoffmangel der Schlei verantwortlich gemacht werden. Ihren Grund soll eine 50 Zentimeter dicke Schicht von Faulschlamm bedecken. Diese schludrige Diagnose wertete die SPD, bis 2017 Koalitionspartner, als Beleg für „grünes Desinteresse“ an der Schlei-Region. Die quacksalberische Therapie, bis 2024 jedes Jahr für jeweils 80.000 Euro drei Hektar Land zu kaufen, um den Gewässerschutz zu optimieren, erhält von Praktikern des Umweltschutzes keine günstigere Note. Die Maßnahme sei nur ein „grünes Pflaster“, ein „Tropfen auf den heißen Stein“ angesichts der Millionenbeträge, die der Kreis Schleswig-Flensburg bereits investiert habe, klagt Thorsten Roos, Leiter von dessen Unterer Naturschutzbehörde, in den Schleswiger Nachrichten.

Noch schärfer auf das Elaborat der inkompetenten grünen „Kloochschnacker“ reagierte einer, der sich auf der Schlei bestens auskennt: der Schleswiger Berufsfischer Jörg Nadler. Um das Jahr 2000, als er als „Kleinunternehmer“ mit der Fischerei begann, fehlte im Sommer in tieferen Wasserschichten tatsächlich mangels Sauerstoff jegliches Leben. Heute gebe es dort jedoch reichliche Muschelbestände als Nahrung für den Butt, der seine Netze fülle. Auch freue er sich über üppige Vorkommen an höheren Wasserpflanzen gerade dort, wo es angeblich die höchsten agrarischen Nährstoffeinträge gebe. Was ebenso gegen die billige Überdüngungsthese spreche wie der sich wieder ansiedelnde seltene, empfindliche Flußkrebs.

Statt also kurzerhand stets den Landwirten an der Schlei den schwarzen Peter zuzuschieben, wie es die für „Fakten taube Ökolobby“ tue, sollte man sich in Kiel lieber mit einer von deren heiligen Kühen befassen, dem Kormoran. Aber auf den gewaltigen Nährstoffeintrag von 10.000 der unter Naturschutz stehenden gefiederten Fischräuber gehe kein grüner Politiker gern ein.

 Historische Berufsfischerei Nadler:

 www.historischerfischer.de

 www.naturparkschlei.de