© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 49/19 / 29. November 2019

Umwelt
Kettensäge und Beton
Martina Meckelein

Da wählt der brave Erfurter mehrheitlich SPD, Linke Grüne, die klimagerechte „Mehrwertstadt“ und die Piraten, hofft auf soziales Klima und die Rettung von Flora und Fauna – und was bekommt er? Die Bundesgartenschau 2021 für 185 Millionen Euro. Die Seilbahn-Pläne und für das Landesmuseum auf dem Petersberg endeten als Rohrkrepierer – die Gartenbauer werkeln unverdrossen weiter: Radikalschnitt bei den Bäume im „Wäldchen“, einem geschützten Landschaftsbestandteil – auf sechs Meter Breite setzen sie am Stamm die Kettensäge an. Die Bäume sollen weg – für einen Baumkronenpfad. SPD-OB Andreas Bausewein sieht sich derweil mit Undank konfrontiert. Die Initiative „Stadtbäume statt Leerräume“ klagt gegen einen Teil des geplanten Bastionskronenpfads.

Ratsentscheidungen zu verschleppen und zu verteuern, das schaffen die Bürger fast immer.

Da hält sein Stadtsprecher im Amtsblatt mit einem diplomatischen Glanzstück dagegen: Das politische Werkzeug der „Nimbys“ (Not in my backyard) sei das Bürgerbegehren. Damit wollten sie „Ratsentscheidungen und Verwaltungsvorhaben kippen. Gern schwingen sie auch die juristische Keule. Beides ist ihr gutes, demokratisches Recht. Nicht jedes Projekt können die Nimbys so verhindern. Es zu verschleppen und zu verteuern, das schaffen sie fast immer“, ätzte der Ex-MDR-Moderator Daniel Baumbach. Selbst die Bausewein-freundliche Thüringer Allgemeine bekam Schnapp­atmung. Um die Einstellung der Erfurter zum Kettensägenmassaker positiv zu beeinflussen, ballert die Verwaltung 16 Litfaßsäulen in die Altstadt. Die sollen mit Buga-Plakaten werben. Sie bestehen aus Beton-Schachtringen und versperren die Sicht auf Schaufenster. Immerhin könne man sie später im Tiefbau verwenden, werden die erbosten Einzelhändler beschwichtigt. Nachhaltigkeit hin oder her – einer dieser Kolosse wird jetzt umgesetzt, die Bäume vermutlich umgesägt.