© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 50/19 / 06. Dezember 2019

AfD-Bundesparteitag
Wille zur Geschlossenheit
Dieter Stein

In der Vergangenheit waren Bundesparteitage der AfD von teils heftigen Richtungskämpfen und überraschenden, dramatischen Wendungen geprägt. So 2015, als Bernd Lucke bei der Wiederwahl scheiterte, oder 2017, als um Haaresbreite Doris Sayn-Wittgenstein Vorsitzende geworden wäre, die kürzlich wegen ihrer radikalen Positionen aus der Partei ausgeschlossen wurde. Bemerkenswert ist deshalb, wie routiniert und zügig die Delegierten in Braunschweig die Versammlung abwickelten und heikle Anträge kassierten. Dies im Kontrast zum Führungschaos und der Orientierungslosigkeit, die zeitgleich das Bild der SPD beherrschen. 

Alexander Gauland gelang es, seinen Wunschnachfolger Tino Chrupalla mit Zustimmung der Delegierten gegen aussichtsreiche Gegenkandidaten als Co-Sprecher zu inthronisieren. Der Sachse repräsentiert den erfolgreichsten östlichen Landesverband. Jörg Meuthen, bereits seit vier Jahren Bundessprecher der Partei, gelang mit einer Rede souverän die Wiederwahl, bei der er deutlich erklärte, daß mit ihm ein radikalerer Kurs nicht zu machen ist. Statt dessen war die Botschaft nahezu aller Redner: Die AfD will endlich regierungsfähig werden. Das Kokettieren mit Fundamentalopposition war gestern, Gauland räumte die Vorstellungen von einer „kleinen sozialrevolutionären Partei“ ab und forderte, die AfD müsse endlich „erwachsen“, nach Meuthen „professioneller“ werden. Bürgerlichkeit statt Pseudorevoluzzertum.

Symbolträchtig war die Reaktion der Delegierten auf den bizarren Auftritt des baden-württembergischen Landtagsabgeordneten Wolfgang Gedeon, gegen den wegen antisemitischer Äußerungen ein sich endlos hinziehendes Ausschlußverfahren läuft. Zahlreiche Delegierte drehten sich um, eine Mehrheit verließ unter Protest den Saal. Ein deutliches Signal in Richtung der chaotischen Fraktion in Stuttgart, wo allen ernstes Überlegungen kursieren, Gedeon wieder aufzunehmen. Ebenso scheiterte der Versuch, die Unvereinbarkeitsliste und damit „Brandmauer“ der Partei zu radikalen und extremistischen Organisationen aufzuheben.

Am Schluß verschoben sich die Gewichte politisch im Bundesvorstand nicht. Von einem Rechtsruck oder Sieg einer Strömung kann keine Rede sein. Die AfD signalisierte in Braunschweig stattdessen den Willen zur Geschlossenheit.

In nicht wenigen Beiträgen gestanden Redner auf dem Parteitag ein, daß die AfD trotz stabiler Umfragewerte ein erhebliches Imageproblem hat. Ihre Sprache müsse sich ändern, meinte der neue Vorsitzende Chrupalla und berührte damit einen wunden Punkt. Die Partei erreiche wegen ihrer gelegentlich „drastischen Sprüche“ zu wenig Frauen. Eine konturenlose CDU und eine implodierende SPD reißen das Feld eigentlich weit auf. Die AfD muß nur weiter nachsetzen. Gewinnend mit Charme und Profil.