© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 50/19 / 06. Dezember 2019

Neuer Starttermin für Hauptstadtflughafen BER: 31. Oktober 2020
Schamlos
Jörg Fischer

Der Stuttgarter Bahnhof ist eine Jahrhundertgeschichte. Bereits 1905 gab es Pläne, durch teure Tunnelbauten einen Durchgangsbahnhof zu errichten – doch Sparfüchse verhinderten dies. Das 60 Jahre später vorgestellte Konzept „Stuttgart 2000“ wurde ebenfalls abgelehnt. Mit dem Milliardengrab „Stuttgart 21“ wurde hingegen 2010 tatsächlich begonnen. Aber die Schwaben blieben dabei „Cleverles“: Die 21 bezieht sich auf das Jahrhundert, nicht auf das Jahr 2021.

Die wechselnden Verantwortlichen für den Hauptstadtflughafen BER waren da forscher: 2006 wurde mit dem Bau begonnen, die Eröffnung für den 30. Oktober 2011 versprochen. Doch daraus wurde nichts, ebenso aus 2012, 2013 und 2017. Aus zwei sind über sechs Milliarden Euro Baukosten geworden, aber nun soll am 31. Oktober 2020 wirklich die erste Maschine vom Willy-Brandt-Airport Berlin-Brandenburg abheben – das versprach Flughafenchef Engelbert Lütke Daldrup. Hoffentlich, denn jeder Monat Verzögerung kostet 35 Millionen Euro – die eingeplanten 792 Millionen Euro Nachlaufkosten bis 2024 nicht mitgerechnet.

Doch selbst wenn alle Baumängel beseitigt sind, die Behörden den BER abnehmen und der Probebetrieb ab April gelingt: Eigentlich müßten die BER-Gesellschafter (Bund, Berlin, Brandenburg) die Eröffnung verhindern, denn Flugverkehr schadet dem Klima. Damit begründeten Bundestag und Bundesrat die Anhebung der Luftverkehrssteuer auf 13,03 Euro für Kurz-, 33,01 Euro für Mittel- und 59,43 Euro für Langstrecken. 785 Millionen Euro mehr soll das einbringen – mindestens. Denn Flugscham empfinden allenfalls Grünen-Gläubige, die Realität sieht so aus: Im ersten Halbjahr 2019 stieg die Passagierzahl in Deutschland um 4,1 Prozent auf 58,9 Millionen. Das erfreut den Fiskus, und darum geht es bei der ganzen Klimapanik: den Bürgern zusätzlich Geld aus der Tasche zu ziehen – etwa für das Stuttgart-21-Milliardengrab.