Der Kiosk ist die Kommunikationszentrale des Quartiers. Hier gibt es Zigaretten, Abfallsäcke, Schulhefte, Süßkram, Rubbellose und Eis – sowie Nachrichten und Gerüchte. Die Lottospieler kreuzen ihre Zahlen an und träumen vom großen Geldgewinn, der endlich glücklich macht. Die Kinderbande braucht ewig, um zu entscheiden, für welche Sorte Fruchtgummi sie ihre fünfzig Cent investieren soll. Die Hausfrau hat ihre Hermes-Pakete nicht vollständig beschriftet und hält damit den Betrieb auf. Die Oma braucht Hilfe beim Farbkopierer.

Schon mittags kommen die ersten Rentner und Arbeitslosen und bevölkern die Klappstühle auf dem breiten Gehweg vor dem Ladenlokal. Erst ’ne Runde Kaffee, dann ’ne Runde Pils. Sie diskutieren über die Tagesschlagzeile der Zeitungen und fachsimpeln über die Bundesligatabelle. Die Blättchen für den Drehtabak sind alle, zum Glück gibt’s drinnen Nachschub.

Welch ein trauriger Verlust für den Stadtteil, wo ist die Inhaberin nur hin?

Weil ich mein Geld für die Fluppen schon vor dem Bezahlen passend abgezählt habe, bekomme ich ein Lob von der bildschönen Inhaberin mit den blauen Strahleaugen und dem immer bezaubernden Lachen. Ich glaube, viele kaufen hier nur etwas, um mit ihr zu schäkern. Die meisten Kunden begrüßt sie mit dem Vornamen.

Nur einmal, als wir allein im Laden waren, hat sie geklagt, daß der Job ganz schön schlaucht, weil sie von morgens sieben bis abends sieben auf den Beinen ist. Wie sie sich nebenher noch um ihre kleine Tochter kümmert, ist mir schleierhaft.

Den ganzen letzten Monat bin ich nicht in die Gegend gekommen, war immer woanders unterwegs. Letzten Samstag der Schock: Der Kiosk ist weg! Zu, dicht, geschlossen. Das Ladenlokal ist leer. Auf der Scheibe steht „Räumung“. Ich bin fassungslos. Was ist geschehen? Was soll jetzt werden? Ich weiß es nicht und finde niemanden, den ich fragen kann. Ein trauriger Verlust für den Stadtteil. Ich wüßte zu gerne, wo die Inhaberin geblieben ist.