© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 52/19 / 20. Dezember 2019

Unabsehbare psychische Folgen der Digitalisierung
Auf der Couch im Netz
(dg)

Die Digitalisierung stellt eine der folgenreichsten Transformationen für die menschliche Gesellschaft dar. Und damit auch für die Analyse der mit ihr verbundenen sozialen und psychischen Bedeutungen. Obwohl sich die Dynamiken der wirkmächtigen Produktivkräfte des das „Projekt Moderne“ ablösenden „Projekts Digitalisierung“ noch gar nicht abschätzen ließen, so wagt die Redaktion von Psyche, der Zeitschrift für Psychoanalyse und ihre Anwendungen (Heft 9-10/2019), ein erstes Urteil, zeige sich heute bereits, wie sich bei Kindern und Jugendlichen die „kulturelle Matrix des Aufwachsens“, bei ihren Eltern die Form ihrer Beziehungen wandle. Das Entfernte rücke näher, werde digital-medial erlebbar, während zugleich das Nahe an Wichtigkeit verlieren könne. Emotionaler Austausch und affektive „Berührungen“ würden partiell „leibferner“, blieben jedoch vielfach emotional hoch besetzt. Daher zeichnen sich auch neue Störungsbilder ab. Wobei „Medien-, Internet- und Computersüchte“ bei Jugendlichen besonders markant seien. Die wiederum auf die Rolle der Psychoanalyse als Reflexionsmedium und Behandlungstechnik zurückwirke. So diskutiere man jetzt über mögliche neue Therapiestrategien wie Online-, Telefon- und Skypeanalyse. Ein Problem sei dabei, daß die Rasanz der technologischen Veränderungen adäquate Reaktionen der „Seelenwissenschaft“ erschwere. 


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