© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 02/20 / 03. Januar 2020

„Das Auto ist alternativlos“
Zwei Freunde gründen aus Spaß eine Facebook-Gruppe gegen „Fridays for Future“ – und führen plötzlich eine Internet-Bürgerinitiative mit über einer halben Million Mitglieder an. Der Autoliebhaber Johannes Büchner über das Phänomen „Fridays for Hubraum“
Moritz Schwarz

Herr Büchner, wollen Sie nur provozieren, wie Kritiker Ihnen vorwerfen?

Johannes Büchner: Nein. Wir wollen ein rationaler Ruhepol gegenüber der aktuellen Klimahysterie sein.

Auf Ihrem Pressefoto zeigen Sie sich breitbeinig vor einem getunten Boliden. Mehr Provokation Richtung Grüne und „Fridays for Future“ (FFF) geht allerdings nicht. 

Büchner: Ich würde es plakativ nennen – nicht um zu provozieren, sondern um unseren Standpunkt zu transportieren! 

Und der ist? 

Büchner: „Fridays for Hubraum“ wurde von Christopher Grau und mir als Verbund von Autoliebhabern gegründet.

Sie sind Autotuner, Herr Grau Inhaber eines Autohauses und einer Tuningwerkstatt. Sie kennen die einschlägigen Vorurteile. Werden Sie überhaupt ernst genommen?

Büchner: Natürlich kenne ich das, Akademiker, die uns belächeln. Ich habe Abitur, hätte also studieren können, entschied mich aber für eine Ausbildung. Ich glaube nicht, daß das meinen Intellekt schmälert. Ähnlich bei Christopher: Nach meiner Ansicht ist er ein gebildeter Mensch, der rational-analytisch denken kann. Zudem zeigt unser enormer Erfolg mit inzwischen 566.500 Mitgliedern, daß wir ernst zu nehmen sind.

Stimmt es, daß es im Scherz begonnen hat?

Büchner: Ja, ursprünglich. Wir waren auf dem Höhepunkt von FFF so genervt, daß wir aus einer Laune heraus die Facebook-Gruppe Fridays for Hubraum (FFH) gründeten. Zugegeben, damals war das provokant gemeint und viel steckte nicht dahinter. Wir wollten nur sehen, was passiert. 

Wann merkten Sie, daß mehr daraus wurde? 

Büchner: Schon am nächsten Morgen. Wir hatten mit insgesamt fünf- bis siebentausend Mitgliedern gerechnet – eben so die Leute aus der Tuningszene. Doch dann waren es über Nacht bereits über 50.000! Wir waren baff und merkten, wir hatten einen Nerv getroffen. Also haben wir ein Manifest verfaßt und es auf der Seite veröffentlicht, damit FFH nicht mehr nur ein gefühltes Protestsymbol ist, sondern Plattform für organisierten, konstruktiven Widerstand. 

Was sind denn nun Ihre Ziele?

Büchner: Mit FFF teilen wir, daß es einer verantwortungsbewußten Umweltpolitik bedarf! Aber genau deshalb kritisieren wir sie auch – weil die Klimabewegung eben nicht rational und also  auch nicht verantwortungsbewußt ist. Deshalb setzen wir ihr die Forderung nach einer Umweltpolitik entgegen, die Arbeitsplätze nicht vernichtet, die natürliche Ressourcen schont, die auf nachhaltige Forschung setzt und die den Standort Deutschland nicht zerstört, sondern stärkt, sowie nicht zur Mehrbelastung der Bürger führt.

Klingt wie: Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht naß. Ist das nicht unrealistisch?

Büchner: Nein, effektive und „schonende“ Umweltpolitik schließen einander nicht aus. Beides ist sogar sehr gut vereinbar und daher leicht umsetzbar.

Zum Beispiel? 

Büchner: Wegen Umstellung der Produktion auf E-Autos werden laut einer Modellrechnung des BUND in den kommenden zehn Jahren bis zu 360.000 Stellen verlorengehen. Unter anderem weil E-Autos einfacher zu bauen sind, so benötigt man weniger Arbeitsschritte und weniger Arbeiter. Unser Vorschlag: Statt auf Elektromobilität zu setzen, Verbrennungsmotoren auf Wasserstoff oder „Synfuels“, also synthetische Kraftstoffe, umrüsten! So wäre der Umwelt gedient, ohne Massenentlassungen. 

Ohne in Abrede zu stellen, daß Sie in einigem recht haben – erwarten Sie ernsthaft, daß die Öffentlichkeit bei einem derart komplexen Thema zwei Aktivisten aus dem Internet vertraut? Und halten Sie sich wirklich für fähig, einen Zukunftsplan für die Umstrukturierung einer Industrienation zu entwickeln?

Büchner: Wir machen Vorschläge, die wir in die Debatte, die die Öffentlichkeit führt, einbringen, und die Politik trifft die Entscheidungen. Aber wegen der Klimahysterie haben wir ja gar keine richtige Debatte! Ergebnis ist eine Politik wie nun von der Leyens „Green Deal“, der der deutschen Autoindustrie das Genick bricht! Das sagen nicht nur wir, das sagen Experten – etwa Bosch-Vorstands­chef Volkmar Denner jüngst in einem Interview. Übrigens finden Sie auch bei den FFH-Mitgliedern etliche Fachleute, die aus der Autoindustrie oder anderen Technologiebranchen kommen. 

Ist FFH nicht weniger Teil der Expertendebatte als vielmehr des gesellschaftlichen Kulturkampfes ums Auto? Das Automobil als Ausdruck eines Lebensstils oder gar als Kultobjekt contra Reduzierung auf ein rein rational verstandenes Funktionsmittel?

Büchner: Das natürlich auch und eben das wollen wir verhindern. Deutschland ist Autoland – und soll es auch bleiben! 

Warum?

Büchner: „Auto“ – das bedeutet Freiheit! Bedeutet Mobilität! Bedeutet Individualität! Diese Errungenschaften lassen wir uns nicht wieder nehmen! Und wir bekennen uns auch zum Spaß am Auto. Allen, die das für nicht mehr zeitgemäß oder gar für eine Klimasünde halten, sagen wir, daß es einer Gesellschaft nicht guttut, wenn alles verboten wird, was auch etwas Spaß macht. Das heißt nicht, daß Rücksicht auf die Umwelt keine Rolle spielt. So ist der abgebildete Ford Focus ST natürlich nicht mein Alltagsfahrzeug, sondern ein Wagen, den ich etwa am Wochenende zum Spaß ausfahre. Im Alltag nutze ich ganz vernünftig eine Mercedes-A-Klasse 170, also ein Auto mit sehr guter Klimabilanz. 

Hubraum galt bisher als Maßstab und ist der Gegenbegriff zum neuen Wertmaßstab für Autos, der nun kulturell implantiert werden soll: Nachhaltigkeit. Ist Hubraum dabei, ein Schimpfwort zu werden?

Büchner: Nein, sicher nicht. Einfach, weil normale Menschen, also die große Mehrheit, das so nicht empfinden.

Auch die Pelzgegner waren wenige – heute traut sich keiner mehr, Pelz zu tragen. 

Büchner: Das kann man nicht vergleichen, schließlich ist Hubraum nichts weiter als ein Parameter, der traditionell die Leistung eines Fahrzeugs definiert. Als Schimpfwort gilt es vielleicht bei FFF. Das sind zwar nominell nicht wenige Menschen, aber im Vergleich zur Gesamtbevölkerung sind sie doch eine kleine Minderheit. Nur wird diese durch die mit ihr sympathisierenden Medien enorm gepusht, wodurch sie viel größer und bedeutender wirkt, als sie es tatsächlich ist. Die Grünen etwa werden von vielleicht zwanzig Prozent gewählt. Aber achtzig Prozent, also die weit, weit überlegene Mehrheit, wählen sie nicht.  

Andererseits, ist Kritik am Auto nicht berechtigt? Schließlich, unabhängig von der Klimafrage, zerstört es historisch gewachsene Städte und Landschaften, vergiftet mit Lärm und Schadstoffen unsere natürlichen Lebensgrundlagen und schädigt durch seine Individualmobilität traditionelle Sozialstrukturen wie Familie und Dorf.

Büchner: Darauf habe ich eine klare Antwort: Das Auto ist alternativlos! 

Das klingt ja wie die Kanzlerin. 

Büchner: Dieser Vergleich ist etwas weit hergeholt! 

Das Adjektiv gilt seit ihrem berüchtigten Diktum als inakzeptabel.

Büchner: Es ist aber nun mal so: Der ÖPNV ist in Deutschland im ganzen betrachtet absolut mangelhaft. Auf dem Land ist er so schlecht, daß das Auto unverzichtbar ist – sprich alternativlos!

Deshalb fordern Grüne und Klimabewegung ja auch nicht seine ersatzlose Abschaffung, sondern Ersetzung, inklusive Lösungen für den ländlichen Raum.

Büchner: Das erfordert neue und sogar mehr Infrastruktur – also Umweltzerstörung, etwa für neue Schienenwege. Und widerspricht damit dem, was die Grünen sonst fordern. Da sieht man, wie unreif ihre Ideen sind. Man stellt sich die Frage, ob man ihnen als Teil einer Regierung vertrauen könnte. 

Da Grüne, Linke und die Regierungsparteien wohl nicht in Frage kommen, bleiben ja nur FDP und AfD. Auf wen setzen Sie, um Ihre Ziele politisch zu verwirklichen? 

Büchner: Wir setzen nicht auf bestimmte Parteien, sondern darauf, daß sie sich alle gezwungen sehen, den Willen der Mehrheit der Bürger zu beachten.

Auch wenn Sie 566.500 Mitglieder haben, Sie sind doch nur eine Facebook-Gruppe, deren Existenz alleine noch nichts bewirkt.

Büchner: Deshalb sind wir dabei, unsere Basis auszubauen, und zwar durch Vernetzung mit den protestierenden Bauern. 

Wie soll das aussehen?

Büchner: Wir haben uns jüngst bereits mit der neuen Bauerninitiative „Land schafft Verbindung“, über die in letzter Zeit ja schon viel in den Medien berichtet worden ist, zusammengeschlossen. Denn wie wir sind auch die Bauern von den Problemen betroffen, die die Politik unter Einfluß der Klimahysterie schafft. 

Entscheidend ist doch: Schaffen Sie den Sprung in die Realität oder ist FFH in Wirklichkeit nur ein Internetphänomen? 

Büchner: Wäre FFH nur ein Internetphänomen, wäre das mediale Interesse nicht so groß. Zudem haben wir schon einiges gestartet: von Baumpflanzaktionen über Präsentationen auf Messen bis hin zur Teilnahme am deutschlandweiten Bauernflashmob, der am 18. Dezember zeitweilig die ganze deutsch-niederländische Grenze lahmgelegt hat.

Wie viele Leute, glauben Sie, bringen Sie auf die Straße? 

Büchner: Wir gehen von achttausend bei der ersten großen Aktion aus, die wir im Frühjahr 2020 starten wollen. 

Erinnern Sie sich an die Facebook-Inititative gegen den Rücktritt des Verteidigungsministers Karl-Theodor zu Guttenberg im Jahr 2011, die ebenfalls enorm erfolgreich war. Als sie aber zur großen Demonstration in Berlin blies, kam (fast) keiner. 

Büchner: Die Gefahr besteht – aber nicht für uns. Denn wir sind auch dabei, Landesgruppen aufzubauen. Und der Plan ist keine zentrale Großdemo, sondern daß jede Gruppe in den Ballungszentren ihrer Region auf die Straße geht. So können wir auch mit nur achttausend Leuten einen deutschlandweiten Aktionstag auf die Beine stellen.

Über mangelndes Medieninteresse können Sie nicht klagen, sogar etliche Fernsehsender haben berichtet. Skurril wirkte allerdings Ihre Einladung zu „Hart aber fair“, wo Moderator Frank Plaßberg sich kaum an Ihrer Arbeit interessiert zeigte, sondern vor allem daran, ob Sie von „rechts“ unterwandert werden und ob Sie sich ausreichend von der AfD distanzieren. 

Büchner: Die AfD hat in der Tat als einzige Partei positiv auf uns reagiert und uns sogar Hilfe angeboten. Die wir abgelehnt haben, aber nicht weil das von der AfD kam, sondern weil wir mit keiner Partei eng zusammengehen wollen. Dennoch möchten wir bei ihnen Resonanz für unsere Anliegen finden, weshalb wir es bedauern, von Grünen und SPD verhöhnt worden zu sein. Andererseits wundert mich das nicht, denn es ist typisch für die Politik – die einfach nicht begreift, daß sich durch Initiativen wie uns der normale Bürger artikuliert. Ihre Mißachtung für FFH entspricht der abgehobenen Arroganz, die, wie die Wahlergebnisse ja zeigen, immer mehr zum Problem der Etablierten wird.

Wie stehen Sie nun zu „rechts“?

Büchner: Die Frage ist doch, was ist rechts? Ich war ursprünglich SPD-orientiert, denn mein Vater, Peter Büchner, war – als die SPD noch die SPD war – fast 23 Jahre Bundestagsabgeordneter und sportpolitischer Sprecher ihrer Fraktion. Als Schüler war ich in der Antifa sehr aktiv und für uns waren jene rechts, die wir bekämpft haben: Leute mit NS-Gesinnung. Heute aber ist fast alles rechts und zwischen Konservativen und Neonazis wird kaum noch unterschieden. Selbst Inhalte, die vor zehn Jahren die CDU vertreten hat, fallen darunter. Um „rechts“ hat sich leider ein ebenso irrationaler Hype entwickelt wie ums Klima.  

Wo steht FFH in der Klimafrage genau?

Büchner: Wir halten den Klimawandel für real. Zu welchem Prozentsatz er menschengemacht ist, können wir nicht beurteilen. Wenn die Wissenschaft das bejaht, muß man sicher etwas tun. Aber all das ist nicht unser Thema! Unser Thema ist: Was wird getan? Und da sagen wir, der grüne Weg, den auch die Groko geht, bringt dem Klima nichts, zerstört Deutschland und verursacht Schlimmes in der Dritten Welt! Denken Sie etwa an den Kobaltabbau zur Batterieproduktion.

Sie sagen, FFH stehe am Anfang. Ist es aber nicht wahrscheinlicher, daß, sobald das Medieninteresse abflaut, alles einschläft? 

Büchner: Nein! Und ich sage Ihnen, warum sogar genau das Gegenteil passieren wird: Weil diese Politik im Zeichen des Klimawahns erst mal weitergehen wird. Wodurch immer mehr Bürger deren Folgen zu spüren bekommen werden. Was wiederum immer mehr Menschen zu uns treiben wird. Ich sehe also, wenn ich an unser Land denke – leider –, eine blühende Zukunft für Fridays for Hubraum!           






Johannes Büchner, der gelernte Tontechniker und Fotograf für Unternehmen ist einer von zwei Leitern der Ende September von ihm mitgegründeten Internetinitiative „Fridays for Hubraum“ (Logo oben). Geboren wurde er 1977 in Kaiserslautern. 

Foto: Protest gegen Dieselverbot in Stuttgart, Aktivist Büchner vor seinem Ford Focus ST (r.): „Die Politik begreift nicht, daß sich durch Initiativen wie uns der normale Bürger artikuliert“

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