© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 02/20 / 03. Januar 2020

Grüner wird’s wohl
Hamburg, Habeck, Handelskrieg: Was innenpolitisch 2020 auf der Tagesordnung stehen wird / Wir wagen einen Blick in die Glaskugel
Paul Rosen

Eine so massive Wählerklatsche gegen die Berliner Regierungsparteien wie im Jahr 2019 wird sich 2020 nicht wiederholen. Denn außer im Stadtstaat Hamburg finden im neuen Jahr keine Wahlen statt. Daß es zu vorzeitigen Neuwahlen zum Bundestag kommen wird, gilt als sehr unwahrscheinlich. Kanzlerin Angela Merkel klammert sich an ihr Amt – fest entschlossen, bis zur regulären Bundestagswahl im Herbst 2021 durchzuhalten.

Von der SPD weiß man nur, daß kaum jemand ihre Führung erkennen würde, wenn sie geschlossen auf dem Bürgersteig anzutreffen wäre. An Neuwahlen hat das neue Führungsduo Norbert Walter-Borjans und Saskia Esken kein Interesse; ob sie Merkels Regierung verlassen und damit eine CDU/CSU-Minderheitsregierung übrig lassen könnten, wird zwar spekuliert, erscheint aber wenig wahrscheinlich, weil politische Ziele wie die Umsetzung des Grundrenten-Kompromisses oder die Finanztransaktionssteuer dann nicht mehr erreicht würden. So bleibt man also lieber in der Regierung und erpreßt die Union permanent und erfolgreich mit Austrittsdrohungen.

Den nächsten Kanzler könnten die Grünen stellen 

In Hamburg sagen alle Umfragen der SPD weniger als 30 Prozent voraus, was im Vergleich zu 2015 ein Verlust von über 15 Prozentpunkten wäre. Und damals hatte schon Olaf Scholz, den sie jetzt als SPD-Chef nicht haben wollten, die absolute Mehrheit der Mandate in der Bürgerschaft verloren. Die Grünen (auf 26 Prozent taxiert) dürften sich ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit der SPD liefern. So scheinen sich der grüne Aufstieg und der rote Abstieg aus 2019 fortzusetzen. Bei allen anderen Parteien werden in Hamburg keine großen Veränderungen erwartet. Die AfD kann mit einem Wiedereinzug in die Bürgerschaft rechnen.

Die Bundespolitik dürfte bestimmt werden vom Klimakampf sowie von Versuchen der Einschränkung der freien und anonymen Internetnutzung, um gegen „Haß und Hetze“ besser vorgehen zu können. Das zum Ende des Jahres 2019 beschlossene „Klimapaket“ gilt erst als der Anfang. Der Versuch der Koalition, mit Klima-Aktionismus den Grünen das Wasser abzugraben, dürfte scheitern. Die Grünen sind das Original bei diesen Themen; sie besitzen über ihre feste Verankerung in allen Medien und der Berliner Zivilgesellschaft mit unzähligen Verbänden, Stiftungen und Think-Tanks eine solch starke Deutungshoheit, daß der gesamte politische Diskurs heute schon von ihnen beherrscht wird, obwohl sie im derzeitigen Bundestag die kleinste Fraktion stellen. Der nächste Kanzler im Jahr 2021 könnte – bei Fortsetzung dieses Trends – von den Grünen kommen und vielleicht Robert Habeck heißen.

Da dem Klima schon jetzt alles untergeordnet wird, werden andere Probleme schlicht übersehen, selbst wenn sie wie ein Elefant im Raum stehen. In der Wirtschaftspolitik versucht die Koalition, mit neuen Anreizprogrammen Fachkräfte aus Nicht-EU-Ländern ins Land zu locken, womit indirekt eingeräumt wird, daß die Massenimmigration seit 2015 keine Einwanderung von Fachkräften war, sondern direkt in die Sozialsysteme ging, deren Belastung entsprechend weiter steigt. Die aus der Klimaschutzpolitik resultierende Bevorzugung der Elektromobilität bei gleichzeitiger Verdammung des Individualverkehrs bringt die deutsche Automobilindustrie ins Straucheln. 

In Amerika verlangt Präsident Trump von der deutschen Exportindustrie mehr Wertschöpfung in Amerika, woraus sich zusammen mit einer instabiler werdenden Lage in China ein höchst giftiger Cocktail für die deutsche Wirtschaft entwickelt. Die Wachstumsprognosen von unter einem Prozent garantieren nicht einmal Erhaltungsinvestititonen, sondern bedeuten weitere Produktionsstillegungen und Arbeitsplatzverluste, auch wegen einer vor dem Scheitern stehenden Energiewende, die außer zu Strompreissteigerungen nur zu einer Gefährdung der Versorgungssicherheit geführt hat. Aus digitaler Sicht ist Deutschland ein Entwicklungsland. Weltmeisterhaft sind nur noch die Steuersätze, an denen sich 2020 wenig ändern wird, wenn man von einer Steuersenkung für Tampons und Bahnfahrkarten absieht.

Die Nullzinspolitik der Europäischen Zentralbank läßt die Zinserträge schwinden und verstärkt die Flucht in Immobilien, wodurch die Mieten allenthalben steigen. Zugleich können die zunehmend in prekären Arbeitsverhältnissen beschäftigen jungen Leute ihre Mieten nicht mehr bezahlen; es entsteht ein digitales Prekariat. 

Mit ihrem „Green Deal“ wird EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen auch von Brüssel aus die grüne Schraube anziehen und nach dem Brexit erheblich mehr Geld von Deutschland fordern. Ein EU-Hebel gegen Individualismus und letztlich Freiheit heißt „Sustainable Finance“. Das bedeutet, daß nur noch „gute“ Investitionen gefördert werden, wie das heute schon bei der Europäischen Investitionsbank Usus ist. Wer in Kohle, Öl oder stromfressender Schwerindustrie unterwegs ist, bekommt keine Kredite. Geldanlageprodukte richten sich nach „Sustainable“-Kriterien aus, so daß „böse“ Industrien und Produkte finanziell ausgetrocknet werden.