© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 02/20 / 03. Januar 2020

Zwischen Reichstag und Kanzleramt
Eine Behörde zum Geburtstag
Christian Vollradt

Dieses Jahr steht im Berliner Regierungsviertel ein runder Geburtstag an: der 150. des Auswärtigen Amtes (AA). Das ist insofern etwas besonderes, als daß in der deutschen Hauptstadt – im Unterschied zu denen unserer Nachbarn – historische Kontinuität eher die Ausnahme denn die Regel ist. Das zeigt schon eine Gegenüberstellung von Downing Street oder Quai d’Orsay mit der Wilhelmstraße, in der die Plattenbauten mehr an die seinerzeitige „Hauptstadt der DDR“ als an das einstige politische Machtzentrum des späten 19. und frühen 20. Jahrhundert mit seinen repräsentativen Palais und den legendären Ministergärten erinnern.

Um so bemerkenswerter das diesjährige Jubiläum des AA. Allein schon der Name: „Amt“. Eine historische Bezeichnung, die sogar noch auf die Zeit vor der Reichsgründung verweist und an die gleichnamige Institution des Norddeutschen Bundes aus dem Jahr 1870 anknüpft. Das paßt zum diplomatischen Dienst, wo sich mehr als in anderen Ministerien oder Behörden der Bundesrepublik Traditionen erhalten zu haben scheinen. Hier pflegt man noch immer einen gewissen elitären Geist, unabhängig davon, wer gerade Hausherr ist. Minister kommen, Minister gehen …

Doch eine Neuerung, um nicht zu sagen, eine (kleine) Revolution wird dem Haus, das sich seit 1999 am Werderschen Markt befindet, nun pünktlich zum Geburtstag beschert. Noch kurz vor den Weihnachtsferien beschloß das Kabinett nämlich, daß das Auswärtige Amt zum ersten Mal in seiner langen Geschichte eine eigene nachgeordnete Behörde erhält: das Bundesamt für Auswärtige Angelegenheiten.

Mit ihm beabsichtige man, wie es im schönsten Amtsdeutsch heißt, „die Wahrnehmung spezialisierter Aufgaben mit Auslandsbezug unter anderem in den Bereichen der Verwaltung, des Fördermittelmanagements und der Visumbearbeitung in einer selbständigen Bundesoberbehörde zu bündeln und zu verstetigen.“ Daß es dafür einer eigens neu aufzubauenden Institution bedarf und die Aufgaben nicht von einer bereits bestehenden – etwa dem Bun­des­ver­wal­tungs­amt – übernommen werden können, begründet die Politik damit, daß die Mitarbeiter sowohl Auslands- als auch Fremdsprachenkompetenz aufweisen müssen. 

Los geht es in diesem Jahr mit einer Startmannschaft von zuächst lediglich 27 Mitarbeitern; bis zu 200 Beschäftigte soll das neue Bundesamt dann ab 2021 umfassen. Seinen Sitz wird es in Berlin sowie Brandenburg an der Havel haben. Dieser Standort westlich von Potsdam zeige, so Regierungssprecher Steffen Seibert, „daß auch dies ein strukturstärkender Beitrag zum Dezentralisierungsziel der Bundesregierung ist.“ Eine der Hauptaufgaben soll die Bearbeitung von Visumsanträgen sein, die in den deutschen Auslandsvertretungen gestellt werden (Stichwörter: Fachkräfteeinwanderungsgesetz und Familiennachzug) und dort kaum noch in angemessener Zeit zu bewältigen sind. Dank Digitalisierung könne man dies physisch dann künftig auch im Inland bewerkstelligen.