© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 02/20 / 03. Januar 2020

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Ex-Generalbundesanwalt will „Spiegel“-Prüfung

HAMBURG. Der frühere Generalbundesanwalt Alexander von Stahl hat den Spiegel aufgefordert, gegen die Autoren einer Titelgeschichte aus dem Jahr 1993 zu ermitteln, in der behauptet worden war, der Terrorist Wolfgang Grams sei beim Versuch der Festnahme von Polizisten erschossen worden. Von Stahl wandte sich mit einer entsprechenden Bitte an das Nachrichtenmagazin, nachdem der Fälschungsskandal um den früheren Reporter Claas Relotius durch eine interne Untersuchungskommission aufgearbeitet worden war. Der Spiegel hatte seinerzeit von einer „Tötung wie eine Exekution“ geschrieben. Das Führungsmitglied der terroristischen Roten Armee Fraktion (RAF), Wolfgang Grams, war im Juni 1993 in Bad Kleinen (Mecklenburg-Vorpommern) gemeinsam mit seiner Komplizin Birgit Hogefeld von einem Kommando der Spezialeinheit GSG 9 observiert und abgepaßt worden (JF 27/13). Beim Versuch der Festnahme konnte Grams seine Waffe ziehen und den Beamten Michael Newrzella erschießen. Nach dem Schußwechsel tötete sich der Terrorist selbst. Der Spiegel wartete damals in einem Beitrag des Reporters Hans Leyendecker mit einem Zeugen auf, der behauptet haben soll, ein Polizist habe aus nächster Nähe auf Grams gefeuert. Nach einer dadurch ausgelösten Mediendebatte trat Bundesinnenminister Rudolf Seiters (CDU) zurück. Anschließend versetzte Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) Generalbundesanwalt von Stahl in den Ruhestand. 1994 stellte ein Gutachten eindeutig fest, „eine rechtswidrige Tötung durch aus nächster Nähe abgegebene Schüsse“ scheide aus. Von Stahl fordert nun vom Spiegel, die Vorgänge aufzuklären. Er ist sich sicher, daß es den vermeintlichen Informanten in Wirklichkeit nie gegeben habe, meinte er im Gespräch mit der JUNGEN FREIHEIT. Der Spiegel bestätigte dem Journalisten Gabor Steingart die Ermittlungen gegen Leyendecker. Die Recherchen seien allerdings nicht abgeschlossen, es lägen noch keine Ergebnisse vor. Von Stahl sagte der JF, er habe bisher keine Rückmeldungen des Verlags erhalten. (vo)