© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 02/20 / 03. Januar 2020

„Besorgniserregende Schwächen“
Bericht des Bundesrechnungshofs: Neben der üblichen Stteuergeldverschwendung gibt es sogar ein die Bevölkerung gefährdendes Verhalten
Christian schreiber

Der Bundesrechnungshof (BRH) hat in seinen „Bemerkungen 2019 zur Haushalts- und Wirtschaftsführung des Bundes“ erneut erhebliche Mängel festgestellt. Die Deutsche Bahn (DB) und das Verkehrsministerium von Andreas Scheuer (CSU) werden in dem Jahresbericht ausdrücklich zu mehr Transparenz aufgefordert. Die seit 25 Jahren als bundeseigene AG organisierte DB verweigere aber Auskünfte über ihre Geschäftstätigkeit. „Das Verkehrsministerium nimmt das hin“, moniert Kay Scheller, BRH-Präsident und bis 2014 Fraktionsdirektor der CDU/CSU-Bundestagsfraktion.

Warum die DB-Vorstände – darunter der frühere CDU-Generalsekretär und Ex-Kanzleramtschef Ronald Pofalla – trotz Gewinneinbruchs und 20 Milliarden Euro Schulden ein Mehrfaches eines Bundesminister verdienen, fragt Scheller nicht. Immerhin wurde die Frage nach der Effizienz beim DB-Stromverkauf an Privatkunden gestellt. Befriedigende Auskünfte erhielt die Behörde nicht. Dem Innenministerium wird vorgeworfen, den Aufbau eines Systems zu verzögern, das Daten zu Baumaßnahmen systematisch darstellt. „Daher kann es den zivilen Hochbau des Bundes nicht vollständig überblicken, obwohl der Bund dafür jährlich eine Milliarde Euro ausgibt“. Das Ministerium könne nicht übergreifend analysieren, warum Baumaßnahmen teurer geworden seien. Mit besserer IT könnte es „strukturelle Schwachstellen im Hochbau des Bundes erkennen, beheben und so Kosten- und Zeitpläne besser einhalten“.

Verschwenderisch war offenbar auch das Agrarministerium von Julia Klöckner (CDU). Seit einiger Zeit bietet man eine App unter dem Namen „Spaziergang durch unsere Wälder“ ein. Der BRH fragt, ob dies wirklich nötige Ausgaben waren. Präsenz in den neuen Medien scheint für die Behörden alternativlos zu sein, gaben doch alle Bundesbehörden fast fünf Millionen Euro für die Entwicklung von Apps aus – ohne aber zu formulieren, was damit eigentlich erreicht werden soll. „Uns interessiert: Wo hat der Bund seine Mittel nicht regelkonform oder unwirtschaftlich eingesetzt?“ sagt BRH-Chef Scheller.

Kritik gibt es auch am Beamtenrecht: „Das Zulagenwesen im Besoldungsrecht des Bundes gleicht einem Dschungel; es ist in sich unschlüssig und unübersichtlich. 19 verschiedene Stellenzulagen und 27 verschiedene Erschwerniszulagen mit Hunderten Varianten machen das Zulagenwesen nahezu undurchdringlich. Neben hohem Verwaltungsaufwand führen die komplizierten Regelungen zu Fehlzahlungen und dadurch zu Ungleichbehandlungen“, so der BRH.

„Das ist ein sehr unglücklicher Zustand“

Ebenfalls in die Zuständigkeit von CSU-Minister Horst Seehofer fällt die Visa-Vergabe. „Nationale Behörden der Schengen-Staaten verstoßen seit Jahren gegen Bestimmungen des EU-Rechts. Sie halten die für alle Schengen-Staaten verbindlichen Vorgaben für die Erteilung von Schengen-Visa und für die Kontrolle der Außengrenzen vielfach nicht ein“, heißt es in dem Bericht. Laut BRH gibt es „besorgniserregende Schwächen“ in allen Verfahrensschritten. „Sowohl bei der Bearbeitung und Prüfung von Anträgen auf Schengen-Visa, bei den Grenzkontrollen als auch bei der Evaluierung sind Verbesserungspotentiale vorhanden, die zügig angegangen werden sollen. Von den Mängeln ist die Bundesrepublik unmittelbar betroffen.“

2004 wurde aus der Bundesanstalt die Bundesagentur für Arbeit (BA) – mit ordentlichen Gehaltssprüngen für die Führungsebene. 2012 gliederte die BA Aufgaben und Personal aus. Die Organisationsstrukturen wurden nicht angepaßt. In fast jeder dritten Agentur ist der Geschäftsführung nur noch eine Bereichsleitung unterstellt. Erst diese führe mehrere direkt unterstellte Bereiche. Solche „einzügigen“ Unterstellungsverhältnisse seien zu vermeiden, moniert der BRH. Die BA müsse „ihre Organisationsstrukturen so anpassen, daß sie für das Aufgabenprofil adäquat sind und dabei möglichst wenige Hierarchieebenen mit angemessenen Leitungsspannen vorsehen“, so die BRH-Prüfer.

Seit vier Jahren nutzt die Bundeswehr den Puma, den schwersten und teuersten Schützenpanzer der Welt. Trotzdem gibt es für die Ausbildung noch keinen Gefechtssimulator. Statt dessen üben die Soldaten im Panzer selbst. Die Folgen: Verschleiß, Kosten für die Instandsetzung und folglich Mehrkosten in Millionenhöhe. „Das ist ein sehr unglücklicher Zustand“, sagt Scheller. 

„Fast sprachlos“ machten den BRH-Präsidenten die Zustände beim Bundesamt für Strahlenschutz (BfS). Es müsse die Sicherheit und den Notfallschutz seiner Technik verbessern und nachhaltig gewährleisten. Bei einem Reaktorunfall bewertet das BfS die Auswirkungen auf die Bevölkerung sowie die Umwelt und empfiehlt Schutzmaßnahmen. Der BRH hatte bereits 2008 Schwachstellen aufgedeckt. So waren das IT-Sicherheitskonzept unvollständig und Schnittstellen an den Arbeitsplatzrechnern nicht gesichert. Das BfS sagte 2009 zu, die Mängel zu beseitigen. Dennoch tat sich zehn Jahren lang nichts. „Es gibt Unterschiede zwischen purer Verschwendung und einem für die Bevölkerung gefährdenden Verhalten. Dieses gehört sicher dazu“, warnt Scheller.

„Bemerkungen 2019 zur Haushalts- und Wirtschaftsführung des Bundes“:  www.bundesrechnungshof.de