© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 02/20 / 03. Januar 2020

Zeitschriftenkritik: Tumult
China widerstehen
Werner Olles

Der Sinologe Raimund Th. Kolb weist in seinem Beitrag „Chinas Geschichten lobend erzählen“ auf die „Aspekte chinesischer Auslandspropaganda und ihrer westlichen Assistenz“ hin. In der Winter-Ausgabe 2019 der Vierteljahresschrift Tumult erklärt er, wie die in Deutschland historisch verwurzelte Sinophilie gespeist wird und funktioniert. Durch den ökonomischen Tunnelblick auf die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt wird ausgeblendet, welche Mißstände in China herrschen: Vetternwirtschaft, öffentliche und private Korruption, massive Umweltzerstörung, über 100.000 öffentliche Unruhen pro Jahr, lokale „mafia states“, ökonomische Intransparenz, fehlende Rechtssicherheit und gewaltige Staatsverschuldung. Da der dortige Markt als lukrativ für Investitionen gilt, wird dies jedoch ignoriert.

Im Gegensatz zu den USA, wo seit dem Amtsantritt Trumps der Einfluß von Propaganda- und Agentenaktivitäten Chinas Gegenmaßnahmen hervorruft, gibt man sich in Europa verantwortungslos. Sinologisch unbeschlagene Lobredner Chinas trifft man aber nicht nur bei den Mainstream-Medien NDR, WDR, der Süddeutschen Zeitung und der Deutschen Presse-Agentur, die Kooperationsverträge mit dem chinesischen Staatssender bzw. Chinas staatlicher Nachrichtenagentur eingingen, sondern auch in konservativen Zeitungen und Zeitschriften. Sich von der chinesischen Propaganda an der Nase herumführen zu lassen sei jedoch fatal, denn „nichts rechtfertigt es, ein totalitär geführtes Regime leninistischen Zuschnitts mit global ausgerichteten Herrschaftsinteressen von Kritik auszunehmen, geschweige denn zu idealisieren“, so Kolb.

Dazu paßt der Beitrag von Marius R. Winter über „Vergangenheit und Zukunft Taiwans“. Der in Taiwan lebende Autor sieht den Inselstaat „so gefährdet wie keine andere Demokratie der Welt“. Es sei falsch, das Land als „unabtrennbaren Bestandteil Chinas“ zu bezeichnen. Taiwan wurde jahrtausendelang von Autronesiern bewohnt, die sprachlich wie kulturell mit China nichts zu tun hatten. Das eigentliche Drama begann 1945, als es von der 1911 gegründeten Republik China übernommen wurde, und entpuppte sich als Alptraum. Die neuen Herren erwiesen sich als brutaler als das Kolonialregime. Aufstände wurden blutig niedergeschlagen. Im Oktober 1949 rief Peking die Volksrepublik aus. Hier wird die Lüge der chinesischen Regierung erkennbar: nicht Taiwan will sich von China abspalten, in Wahrheit ist die Volksrepublik das Rebellenregime. 1979, als die USA ihre Beziehungen zur Republik China auf Taiwan abbrachen, verlor das „freie China“ fast alle diplomatischen Partner durch rot-chinesische Einflußnahme. Heute wehren sich immer mehr Taiwaner gegen die ihnen aufgezwungene großchinesische Identität. Bei den nächsten Wahlen ist ein wesentlicher Faktor die Entwicklung in Hongkong, denn hier zeigt sich den Taiwanern, was sie unter chinesischer Besatzung zu erwarten haben. Nach den außenpolitisch verheerenden Jahren unter Obama läßt die China-Politik Trumps hoffen, daß Taiwan sich gegen die Kommunisten behaupten kann.

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