© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 02/20 / 03. Januar 2020

Irgendwo über dem Regenbogen
Kino: Mit ihrer Darstellung der Sängerin Judy Garland bewirbt sich Renée Zellweger um ihren zweiten Oscar. Der Preis wäre verdient
Dietmar Mehrens

Ihr Leben war kurz, aber reich an Höhepunkten: Als Judy Garland 1969 mit nur 47 Jahren in London verstarb, verließ eine der bedeutendsten Unterhaltungskünstlerinnen der Welt für immer die Showbühne. Schon als Kind war sie ein Star und stand zusammen mit ihren Schwestern unter dem Namen Gumm Sisters auf den Brettern, die die Welt bedeuten.

Der Film „Judy“ beginnt mit einer großen Umgarnung: „Ich mach’ Filme, du machst Träume“, sagt der einflußreiche Filmproduzent Louis B. Mayer (Richard Cordery) und  stellt die Dreizehnjährige vor die Wahl: Durchschnitt oder Durchstart – ins Rampenlicht der Filmindustrie. Die begnadete Sängerin läßt die Gumm Sisters sausen und unterschreibt bei Metro-Goldwyn-Mayer. Der Rest ist Geschichte. Welterfolge wie „Der Zauberer von Oz“ (1939) mit dem von ihr interpretierten Filmlied „Over the  Rainbow“ und „Ein neuer Stern am Himmel“ (1954) säumen den weiteren Lebensweg der Schauspielerin, aber auch viele Probleme.

Als Garland einmal gefragt wird, ob sie etwas gegen ihre Depressionen nehme, antwortet sie: „Ja. Vier Ehemänner.“ Vier gescheiterte Ehen verraten einiges darüber, wie fragil die Darstellerin in ihrer privaten Lebensführung war.

Ihr zweiter Ehemann war der kaum minder legendäre Vincente Minnelli. Aus der Ehe mit dem Regisseur ging Liza Minnelli hervor, die erfolgreich in die Fußstapfen ihrer Mutter trat. Ihre älteste Tochter hat jedoch in dem Streifen nur einen kurzen Auftritt. Denn Rupert Goold wollte keine klassische Filmbiographie drehen; tatsächlich hat er nicht ein Leben, sondern ein Theaterstück verfilmt: „Ende des Regenbogens“ von Peter Quilter.

Dabei liegt das Hauptaugenmerk auf Garlands letzten Lebensmonaten. Wie der „Stan & Ollie“-Film von Jon S. Baird, der vorigen Mai in die Kinos kam (JF 20/19), konzentriert Goold sich auf eine entscheidende Phase am Karriereende der berühmten Künstlerin.

Rückblenden zeigen Schlüsselmomente

Es ist die Phase ihrer gefeierten Auftritte in London 1969, die mit ihren Hochs und Tiefs noch einmal Garlands gesamte Karriere spiegeln, und der kurzen Ehe mit ihrem fünften Ehemann Mickey Deans (Finn Wittrock), die, nur drei Monate vor ihrem Tod, im März 1969 geschlossen wurde. Zwei homosexuelle Fans – Homo-Quote erfüllt – sorgen für heitere Ablenkung von den schweren Momenten im Alltag der Ausnahmekünstlerin.

Rückblenden, in denen Darci Shaw die junge Garland spielt, ergänzen den Film geschickt um Schlüsselmomente, die erklären, warum die Aktrice im Laufe ihrer Karriere psychische Probleme bekam und diese durch Betäubungsmittel erfolglos zu therapieren suchte. Die Fokussierung auf Garlands Londoner Auftritte verleiht dem Film erzählerische Dichte und Kohärenz und erlaubt es, sich ganz auf die Verkörperung der Diva durch Renée Zellweger zu konzentrieren, die alle im Film zu hörenden Garland-Lieder selbst singt und die zweifellos beste Leistung ihrer Karriere abliefert. Eine Steilvorlage für die Oscar-Juroren, die darüber befinden, wer im Februar die begehrte Trophäe für die beste weibliche Hauptdarstellerin in Empfang nehmen darf. Falls Zellweger gewinnt, hat sie der von ihr Verkörperten eines voraus: Judy Garland durfte den begehrten Goldjungen nie mit nach Hause nehmen.

Kinostart ist am 2. Januar 2020