© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 02/20 / 03. Januar 2020

Umwelt
Mehr Zeit zu zweit
Volker Kempf

Der Strom kommt aus der Steckdose und die Milch aus der Flasche, das glauben manche Großstädter. Über Energie wird viel diskutiert. Aber was ist mit dem Molkereirohstoff? Kühe geben Milch, wenn sie gekalbt haben. Mehr Milch gibt es, wenn beide möglichst rasch nach der Geburt getrennt werden. Das kann nicht der Weisheit letzter Schluß sein, dachten sich die Nutztierfreunde von „ProVieh“. Also wurde nach Alternativen gesucht. Das Ergebnis stellte der Kieler Verein nun vor. Am Bodensee, im Allgäu, im Linzgau und in Oberschwaben gibt es sie, Demeter-Höfe, wo die Kälber bei der Aufzucht bei den Kühen bleiben. Auch auf das schmerzhafte Enthornen der Kühe wird verzichtet. Im Sommer dürfen die Tiere auf die Wiese, im Winter gibt es Heu. Seit Herbst 2019 gibt es Milch und Käse sowie Fleisch gemäß den von „ProVieh“ mit ausgearbeiteten Mutter-Ammen-Kalb-Kriterien (MAK) in einigen Verkaufsregalen.

Aus Tierwohlsicht ist Fleisch ist nicht gleich Fleisch und Milch nicht gleich Milch.

Dies zumindest bei Edeka Südwest, der Migras-Tochter Tegut und in Bioläden in Baden-Württemberg, Hessen, dem Saarland und Bayern. Wie so oft bleiben die teureren Produkte mit Siegeln für freiwillige Sonderstandards zugunsten der Tiere in Nischen, erfahrungsgemäß wiegt die Hoffnung auf einen günstigen Einkauf an der Kasse größer. Aber es entsteht durch solche Initiativen überhaupt ein Angebot, für das es eine Nachfrage gibt. Die optische Darstellung des Siegels setzt auf ein Kalb, das bei der Kuh trinkt, dazu der Schriftzug: „Mehr Zeit zu zweit für Kuh plus Kalb“. Fleisch ist nicht gleich Fleisch und Milch nicht gleich Milch, sondern immer auch mit der Frage verbunden, wieviel Tierwohl den Verbrauchern wieviel wert ist. Mehr als der Mindeststandard geht immer. Viel Erfolg mit dem Siegel. Dann macht das vielleicht Schule auch in anderen Regionen Deutschlands.