© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 02/20 / 03. Januar 2020

Neujahrsgrüße aus dem Paradies
Wünsdorf bei Berlin will „Eco City“ werden: Die JF wagt einen Blick in die Zukunft
Bernd Rademacher

In Wünsdorf bei Berlin, einst Sitz des Oberkommandos der Wehrmacht und später die größte Russengarnison der DDR, wollen Öko-Planer die erste klimaneutrale Gemeinde Deutschlands errichten. 

In „Eco City“ soll es hundertprozentig „nachhaltig“ und „interkulturell“ zugehen. Die Lebensmittel liefert „die Region“, vor allem der „kleine Bauernhof“ im Ort. Fünftausend Flüchtlinge „aus Kriegs- und Krisenregionen“ sollen hier einen Ausbildungsplatz finden. Chef-Visionär Ekhart Hahn, Professor für ökologische Raumplanung, fordert einen rechtlichen Sonderstatus für seine Stadt, weil „die bestehenden Gesetze in vielen Punkten nicht eingehalten werden können, weil neue Wege beschritten werden müssen“, denn „der Klimawandel wird in den Städten entschieden“. Nach dem nationalsozialistischen und dem kommunistischen neuen Menschen soll nun also der ökosozialistische Mensch gezüchtet werden.

Zeitsprung über das neue Jahr hinaus: Im Jahr 2030 steht „Eco City“ und wird von überwiegend idealistischen Menschen bewohnt. Die*der 27jährige Laura*Daniel schreibt ihrer Oma in Niedersachsen eine Mail aus „Eco City“.


Liebe Oma,

frohes neues Jahr. Ich wollte dir eigentlich schon früher eine E-Mail schreiben, aber während der täglich zweistündigen Stromzuteilung bin ich nicht dazu gekommen. Jetzt geht es, dafür essen wir heute eben kalt. Leider hat es bei dem Versuch, durch unsere neue innovative „Grüne Industrie“ den Hundekot auf den Bürgersteigen zu verstromen, technische Rückschläge gegeben. Allerdings gibt es auch kaum Hunde, weil ihre Haltung aus Rücksicht auf unsere muslimischen Nachbarn verboten wurde. Jedoch gibt es auch so gut wie keine Moslems mehr, weil die in Gegenden mit mehr Energie- und Kraftstoffversorgung abgewandert sind – diese Defätisten. Ich hätte ja gerne deinen alten Küchenschrank mit hierher genommen, aber das ging nicht, weil das Lastenfahrrad-Umzugsunternehmen damit überfordert war. Die Hilfskräfte leben ja alle vegan und sind vor körperlicher Überlastung beim Transport von Schränken und Waschmaschinen zusammengeklappt. 

Waschmaschinen sind jetzt allerdings sowieso verboten. Die Grüne Jugend (GJ) hat seit der Verschärfung der Klimanotstandsgesetze einen Streifendienst eingerichtet und zeigt Klima-Vergehen an. Neulich haben sie die Frau aus dem dritten Stock verhaftet, nachdem Nachbarn ihren Küchengeruch gemeldet hatten: Sie hatte nachts ein Steak aus echtem Fleisch gebraten, stell Dir sowas mal vor! Die kriegt jetzt richtig Ärger mit der Öko-Fußabdruck-Kontrollbehörde. 

Wir dagegen freuen uns jetzt schon auf die nächste Grillsaison und wollen in unserem nach drei Jahren Wartezeit zugeteilten Gartenbeet deftige Zucchini und herzhaften Lauch anbauen. Allerdings müssen wir noch einen Feinstaubfilter für den Grill besorgen. Der Schulbesuch von Jana ist auch etwas schwierig geworden, weil der E-Bus öfters nicht fährt. Es gab zwar einen Eselkutschen-Dienst, den haben aber Tierrechts-Aktivisten gestoppt. Dafür haben sie jetzt in der Schule Toiletten für 48 Geschlechter, wodurch die Unterrichtsräume allerdings knapp geworden sind. Das Wort „Geschlecht“ soll man aber eigentlich nicht mehr verwenden, es heißt offiziell „Konstrukt des Miteinanders“.

Vielen Dank für das rosane Kleid aus deiner Jugend, das nach der GJ-Paketkontrolle nun endlich bei mir angekommen ist. Ich kann es allerdings nicht tragen. Das muß Finn-Ahmad jetzt zur Arbeit im Wirtschaftsplanungsamt im Rathaus anziehen, um sein männliches Rollenverhalten abzutrainieren. Ich würde auch gerne wieder arbeiten gehen, aber es gibt einfach zu viele Theaterpädagogen für die wenigen Stellen hier im ländlichen Raum. 

Im Moment habe ich eine von der Gemeinde bezahlte Stelle als Pflanzen-Mensch-Mediatorin zugeordnet bekommen. Zu Weihnachten hatte ich meinen ersten großen Vermittlungseinsatz. Diese „Steinzeitspinner“, wie wir diese Radikalinskis aus dem Nachbardorf aus Findlingshütten nennen, hatten sich an die Weihnachtstannen gekettet, um das für die Bäume schmerzhafte Absägen zu verhindern. Vielleicht haben sie ja recht.

Beim „Zentralen Runden Tisch“ zur Arbeitsdienstvermittlung haben sie gesagt, es fehle vor allem an Handwerkern. Dies sei auch der Grund, weshalb die Reparatur der Wasser- und Kläranlage immer noch nicht abgeschlossen ist. Wir machen einfach mehrmals am Tag Klo-Flashmobs auf den Äckern und düngen damit gleich die nächste Rübenernte. Wenn die Leute doch wüßten, wie gut sie es hier hätten! Es gibt viel Erfreuliches: Gestern wurde feierlich der letzte CO2-emittierende Betrieb – eine Bäckerei – geschlossen. Zu Silvester wurde der letztens in einer Scheune aufgespürte SUV auf dem Greta-Thunberg-Platz vor der großen „Bevölkerungshalle“ verbrannt – Feuerwerk ist ja nicht mehr gestattet. Jetzt sind wir endlich klimaneutral. Okay, Boomer, es grüßt Dich, 

Dein*e Enkel*in.