© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 03/20 / 10. Januar 2020

„Das Beste aus beiden Welten vereint“
Schwarz-grüne Regierung in Österreich: Jubelstimmung nach außen, doch im Gebälk knirscht es bereits
Curd-Torsten Weick

Zum Schluß starrten alle am vergangenen Samstag erwartungsvoll nach Salzburg, wo der Bundeskongreß der Grünen über das schwarz-grüne Regierungsübereinkommen abstimmen sollte, das zwei Tage zuvor von Sebastian Kurz (ÖVP) und Werner Kogler präsentiert worden war. Hatte die Grüne Jugend nicht im Vorfeld ihren Unmut geäußert: „Flüchtlinge schützen statt Grenzen! Kurz abschieben“?  Doch davon wollten die Delegierten nichts wissen. 93,18 Prozent stimmten für Schwarz-Grün. „Die Zeit ist reif für die Grünen, und die Grünen sind reif für die Zeit“, hatte Grünen-Chef Kogler den Delegierten zugerufen und betont, daß es ihr Auftrag sei, die politische Mitte in Österreich in Richtung links zu verschieben.

 Der „Kampf gegen Rechts“ soll forciert werden 

Erleichterung auch bei Sebastian Kurz: „Ich freue mich auf die gemeinsame Zusammenarbeit in der Bundesregierung!“ Schon zu Neujahr hatte der 33jährige das „exzellente Ergebnis“ der knapp zwei Monate dauernden Sondierungs- und Koalitionsgespräche mit den Grünen gelobt. 

Trotz „sehr sehr unterschiedlicher inhaltlicher Ausrichtung“ habe man in einer „respektvollen Art und Weise“ eine Einigung erzielen können. Statt sich gegenseitig auf Minimalkompromisse hinunter zu verhandeln, sei es gelungen, das „Beste aus beiden Welten zu vereinen“. Die Volkspartei werde ihre Politik der „Steuersenkungen für die arbeitenden Menschen“, aber auch ihre „konsequente Linie im Kampf gegen illegale Migration und den politischen Islam“ fortsetzen, betonte Kurz.  

Wir haben dir „berühmten Brocken“ weggeräumt und stattdessen Brücken gebaut, erklärte Kogler und freute sich: „Österreich soll zum europäischen und internationalen Vorreiter in Sachen Klimaschutz werden.“ Es werde Steuerentlastungen, aber auch eine ökosoziale Steuerreform geben.

Letztere soll laut Regierungsprogramm die Menschen in Österreich entlasten, parallel dazu aber „ökologische Kostenwahrheit“ herstellen. Quintessenz: eine „Flugticketabgabe“ (deutliche Erhöhung Kurzstrecke, Erhöhung Mittelstrecke, Senkung Langstrecke) und ein „entschlossener Kampf gegen den Tanktourismus und Lkw-Schwerverkehr aus dem Ausland“. 

Um die Erreichung der Klimaschutzziele Österreichs bis 2040 zu gewährleisten, soll auf die Verbrennung von Heizöl, Kohle und fossilem Gas für die Bereitstellung von Wärme und Kälte „weitestgehend verzichtet“ werden. Fortan setzt Schwarz-Grün auf erneuerbare Energien. Bis 2030 soll ihr Anteil am nationalen Gesamtverbrauch bei 100 Prozent liegen. 

Auch will die Bundesregierung ein Maßnahmenbündel schnüren, das dazu führen soll, daß ab 2025 nur mehr emissionsfreie Pkw, einspurige Fahrzeuge sowie leichte Nutzfahrzeuge auf Österreichs Straßen neu zugelassen werden. 

Auch auf dem Gebiet „Maßnahmen gegen Extremismus und Terrorismus“ ist die grüne Handschrift deutlich im Regierungsprogramm zu erkennen. Hierzu soll ein „Aktionsplan gegen Rechtsextremismus und gegen den religiös motivierten politischen Extremismus (politischer Islam) ausgearbeitet werden. Geplant ist hierbei unter anderem die Ausweitung von „Schulworkshops zur Rechtsextremismusprävention, Vergangenheitspolitik und gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit“. Eine „Mobile Kompetenzstelle gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Gewalt“ soll errichtet und eine „Informations- und Aufklärungskampagne gegen Rechtsextremismus und gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit“ gestartet werden. Parallel dazu soll im Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (DÖW) eine Forschungsstelle „Rechtsextremismus und Antisemitismus“ verankert werden – zuständig für den jährlichen Rechtsextremismusbericht, inklusive Zugang zum „notwendigen Datenmaterial aus Innen- und Justizministerium“. Auch die Wiederaufnahme „rechtsextremer Burschenschaften“ in den Verfassungsschutzbericht sowie „Maßnahmen“, die Vereine, die „staatsfeindliches Gedankengut (so wie die Identitären)“ verbreiten, „wirksam“ bekämpfen können, stehen auf dem Plan.

Trotz der Erfolge zeigt sich Kogler  nicht euphorisch. Bauchgrimmen bereitet dem Grünen Kurz’ Beharren auf der Einführung der Sicherungshaft für potentielle Gefährder und der Ausweitung des Kopftuchverbots bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres. Die verfassungskonforme Umsetzung der Sicherungshaft sei „juristisch sehr schwierig“, erklärte der grüne Vizekanzler im ORF. Auch das von Kurz angestrebte Nulldefizit sei „im Krisenfall nicht halten“.